Die crux theologorum – über Glaube und Unglaube (Antwort auf unseren Leser Christ)

Diese Fragen bewegen mich schon länger:

„Der Ruf Gottes ist ausgesprochen, die Gnade schon längst geschehen“ – dem stimme ich zu. Wie aber ist unsere Antwort einzuordnen? Von welcher Art ist der Glaube? Paulus spricht vom Wirksamwerden der Gnade durch Glauben.

„Gott hat sich für uns entschieden.“ – Wir können Gottes Entscheidung dankbar annehmen oder aber gleichgültig ausschlagen. Ist das schon Semi-Pelagianismus?

Ist (mein) Glaube Gottes Werk? Was ist dann Unglaube?

Wir danken Christ für seinen Kommentar zum Artikel „Glaubensentscheidung?“ und wollen ihn gern zum Ausgangspunkt für einen eigenständigen Blogbeitrag machen.

Kein Wunder, lieber Christ, dass Dich diese Fragen bewegen. Sie gehören zu den wirklich schwierigen Fragen der christlichen Theologie und du bist bei weitem nicht der Einzige, den sie umtreibt. Gerade im amerikanischen Luthertum wird hier oft auf den Begriff crux theologorum verwiesen, der in der Theologie häufig für die schwierige Frage des Glaubens und der Erwählung – eben wegen ihrer Schwierigkeit – verwendet worden sein soll.

Hier ein Versuch die lutherischen Antworten knapp und klar zu umreißen:

Zu Absatz 1:

Wir sind durch eigene Schuld (also zurück auf Adam hin und dann auch von uns selbst aus [CA 2]) in Gott ablehnender, ja Gott hassender Rebellion gegen ihn. Wenn wir darin verweilen, ist das weiterhin unser eigener Wille und damit unsere Schuld. Doch wenn wir glauben, dann ist das ob unserer verlorenen Grundsituation und unserer Rebellion so ein Wunder, dass dies nur allein Gottes Wirken ist. Der Heilige Geist wirkt den Glauben in Dir durch das Wort der Schrift, des Evangeliums (CA 5). Der Glaube ist und bleibt allein Geschenk Gottes, was man zum Beispiel mit der Torheit der Predigt von Kreuz zusammenbringen könnte: es ist allein Gottes Gabe, dass sie Dir auf einmal nicht mehr als Torheit erscheint und Du – entgegen Deiner natürlichen Neigungen – tatsächlich anfängst sie – im Bezug auf Dich persönlich und die ganze Welt – für wahr zu halten.

Zu Absatz 2:

Ehrlich gesagt … ja. Laut Konkordienformel: Vom freien Willen

„Wir verwerfen auch der Halbpelagianer Irrtum, welche lehren, daß der Mensch aus eigenen Kräften den Anfang seiner Bekehrung machen, aber ohne die Gnade des Heiligen Geistes nicht vollbringen möge.“

Und hier kommt eines meiner Lieblingszitate aus dem ersten lutherischen Video,das ich gesehen habe: Lutheranism thrives on paradox – im Deutschen am Besten: das Luthertum liebt das/wächst am Paradox. Und hier sind wir genau an so einer Stelle: Der biblische Befund lautet: Der Glaube ist ganz allein Gottes Gabe aus Gnade. Der Unglaube ist die Schuld des Unglaubenden (siehe z.B. den Link bei crux theologorum), denn den Unwilligen wird der Heilige Geist nicht erleuchten (Konkordienformel, Solida Declaratio II, 57f).

Das schöne ist, dass Gottes Gabe des Glaubens, die aus Gnade geschieht, nicht einfach im luftleeren Raum stattfindet, wie man zunächst denken würde. Gott hat sich selbst an Predigt und Sakrament gebunden. Hier ist also das Evangelium, der Heilige Geist und damit der Glaube tatsächlich und sicher zu finden (CA IV & V).

Was also am Ende bleibt, ist eine Verheißung:

Denn von der Gegenwärtigkeit, Wirkung und Gaben des Heiligen Geistes soll und kann man nicht allewege ex sensu, wie und wann man’s im Herzen empfindet, urteilen, sondern, weil es oft mit großer Schwachheit verdeckt wird und zugeht, sollen wir aus und nach der Verheißung gewiß sein, daß das gepredigte, gehörte Wort Gottes sei ein Amt und Werk des Heiligen Geistes, dadurch er in unsern Herzen gewißlich kräftig ist und wirkt, 2 Kor. 2.

(Konkordienformel, Solida Declaratio II, 56)

*Klarstellende Anmerkung zur „Crux Theologorum“ von Sven Wagschal:
„Der Begriff „crux theologorum“, also die Frage : „Cur alii, alii non?“, warum werden bei der allgemeinen Gnade Gottes nicht alle Menschen bekehrt und selig, obwohl sie sich in gleicher Schuld befinden und sich nicht voneinander unterscheiden, wird von Franz Pieper in seiner Christlichen Dogmatik, Band 3, S. 118 und Band 2, S. 34 und 583 gebraucht, leider ohne Angabe von Quellen. Es könnte sein, daß er diesen Namen selbst konzipiert hat, um damit die zugrundeliegende Frage begrifflich zusammenzufassen.“

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