Essgewohnheiten – unsere Serie zur Abendmahlsgemeinschaft. 10) „Was haben die Römer je für uns getan?“

Dieser Tage jährte sich nicht nur die Anordnung zur erzwungenen Vereinigung der reformierten und lutherischen Kirche in Preußen durch Friedrich III. zum zweihundersten Mal (am 27.09.1817), sondern führte auch eine Rede des ehem. Bundestagspräsidenten Lammert zu erheblichem Blätterrauschen in den deutschsprachigen christlichen Medien. Dabei mag es schwerfallen, obwohl beide Ereignisse durch zweihundert Jahre der gesellschaftlichen Umwälzung getrennt sind, nicht doch Gemeinsamkeiten zu entdecken.

Zunächst zu Lammert 2017. Was war geschehen? Der bis vor kurzem an prominenter Stelle tätige Politiker hatte anlässlich eines in Bochum stattfindenden Ökumene-Fests dazu aufgerufen, endlich für eine Einheit der beiden Konfessionen zu sorgen. Er könne keinen einzigen relevanten Glaubensunterschied erkennen; das bisschen Unterschied in Amts- und Kirchenverständnis sei doch den Menschen, die einige Werte der Kirche teilten, egal. Offenbar ist Lammert der Ansicht, dass diesen Menschen, die irgendwie irgendwelche kirchlichen Werte teilen, mit einer gemeinsamen Abendmahlsfeier aus irgendeinem Grund geholfen ist. Jedenfalls werden nach Lammert Unterschiede dann irrelevant, wenn sie schwer zu verstehen sind. Das Positive bei Lammert ist an dieser Stelle wohl nur, dass dieser – Demokratie sei dank – zwar viel fordern kann, nicht aber die Möglichkeit hat, diese seine Meinung zum Gesetz zu machen, so wie es der preußische König vor zweihundert Jahren tat, der auch keine relevanten Unterschiede mehr zwischen den Konfessionen erkennen konnte. Sonst aber kann man hier doch einiges hinterfragen:

(a) wer ist Lammert, dass er so einfach Forderungen aufstellen kann? Natürlich war er Bundestagspräsident. Das aber bedeutet nicht, dass er kirchlich etwas zu sagen hat, geschweige denn, theologische Expertise für einen ökumenischen Dialog mitbringt. Kirchlich gehört Lammert zur Basis, kann sich natürlich als solcher in Gemeindearbeit und kirchliche Arbeit einbringen – aber auf ihn muss nur ebenso sehr gehört werden, wie auf jedes andere Mitglied der katholischen Kirche.

(b) Sollte Lammert nicht aus seiner Expertise als Bundestagspräsident wissen, dass eben alles nicht so einfach ist und einfache Lösungen (zu oft) populistische Verführungen sind? Ist Lammert Kirchenpopulist?

Dass es möglich ist, wesentlich differenzierter und damit auch ehrlicher über Ökumene zu sprechen, hat dieser Tage Kardinal Woelki gezeigt. Dieser spricht natürlich aus Sicht seiner Kirche und stellt entsprechende Forderungen an die Evangelischen – bleibt dabei aber doch lesenswert und anregender für ein ehrliches Gespräch, welches Gemeinsamkeiten und Unterschiede offen benennt, statt diese unter den Teppich zu kehren. In diesem Beitrag findet sich auch folgender Absatz:

Bis zur Leuenberger Konkordie von 1973 (Abendmahlsgemeinschaft verschiedener Konfessionen) war nicht nur auf Seiten der katholischen und orthodoxen, sondern auch für alle protestantischen Bekenntnisgemeinschaften klar, dass die Einheit des Bekenntnisses der Zulassung zum Sakrament des Altares bedingend vorausgeht. Doch seit 1973 empfehlen viele protestantische Theologen das Einheitsmodell der „versöhnten Verschiedenheit“. Dieses Motto ist vieldeutig. Wer damit die bisher konfessionsbegründenden Unterschiede in wechselseitig bereichernde Dimensionen umdeutet, darf sich über den Vorwurf des Etikettenschwindels nicht wundern. Denn so einfach kann man die Schuldgeschichte der Spaltungen nicht in eine Wirkungsgeschichte der Gnade umschreiben.

Woelki greift damit Kritik an der theologischen Methode Leuenbergs auf, welches seinerseits oft als Blaupause für einen erfolgreichen ökumenischen Prozess verstanden wird. Diese Methode lautet zusammengefasst: „Das eine Wort Christi gilt allen. Wie sie es hören und verstehen, unterscheidet sich, aber das Wort als Grundlage ist eines.“

Zur Berechtigung dieser Idee, dass ein unterschiedliches Verstehen des einen Wortes Christi legitim oder gar notwendig sei, nocheinmal Woelki:

Die Kirche gründet in dem Wort Gottes, das Fleisch geworden ist. Sie kann ihre Einheit nicht auf einer unsichtbaren oder eschatologischen Ebene ansiedeln. Ihre Einheit muss die Verschiedenheit zwar nicht aufheben, aber doch in einem Bekenntnis versöhnen.

Was Woelki letztlich fordert: Glaubensvollzug und Glaubensinhalt dürfen nicht getrennt werden, gemeinsames Kirchenhandeln setzt das gemeinsame Bekenntnis voraus. Indirekt formuliert der Kardinal damit die Hausaufgabe an die evangelische Kirche, erst einmal ein gemeinsames evangelisches Bekenntnis zu formulieren. Wie gut, dass dieses in Form der Augsburger Confession bereits in einer ökumenischen Dimension vorliegt! Und wie schlecht, dass die EKD 2013 meinte: „Die EKD kann ihr besonderes Kirchesein nur bewähren, wenn und soweit sie selbst kein Bekenntnis hat und auch keines privilegiert.“ Die EKD-Idee dahinter war, dass ein gleichwertiges Nebeneinandergelten verschiedener und einander ausschließender Bekenntnisse verdeutliche, dass einerseits – durch die einander widersprechenden Bekenntnisse – die Verschiedenheit des Leibes Christi und andererseits – durch den organisatorischen Überbau der EKD – seine Einheit in Christus verdeutlicht würde. Die EKD sei also deshalb Kirche. Oder, um es im biblischen Bild zu sagen: Die EKD ist Christus, und die verschiedenen Bekenntnisstände der Gliedkirchen der EKD und ihrer Gemeinden spiegeln die Glieder des Leibes Christi wieder. Damit hatte sich die EKD qua ihres eigenen Willens und einer seltsamen Definition zur Kirche definiert, in der jedenfalls Glaubensvollzug und Glaubensinhalt deutlich getrennt sind, indem ja alle miteinader liturgische Handlungen vollziehen, die jeder einzeln in seiner Bekenntnistradition anders versteht.

Die leuenberger Lösung der EKD für eine ökumenische Einigkeit also lautet, Unterschiede zu verwischen und zu negieren, um sie an passender Stelle als „Vielfalt“ hervorzukramen. Die Voraussetzungen, als Partner im ökumenischen Dialog zu stehen, bringt sie nicht mit. Was vor zweihundert Jahren als politisches Projekt eines Königs begann, zeigt vielmehr die Probleme einer Kircheneinheit auf, die weniger auf geistliche Aspekte wert legt, denn auf Zahlen, Bilder und Öffentlichkeitswirksamkeit. Als solches schadet das Projekt der EKD der Einheit der Kirchen, wie sie die lutherische Kirche seit ihrer Entstehung herbeisehnt, nämlich als Einheit in Lehre und Leben der Kirche, welche zwar eine übergroße Fülle an Formenvielfalt aufweist, niemals aber doch eine übergroße Fülle an Inhaltsdifferenz. Zu einer geistlichen Einheit der Kirche trägt die EKD nicht bei, während es sogar die – nicht selten imperial auftrendende – römisch-katholische Kirche schafft, hier Impulse zu setzen, die dem Diskurs der evangelischen Kirchen mit sich selbst weiterhelfen könnten.

 

 

 

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