Was ist denn das überhaupt, Kirche?? – Teil 2: Ist Kirche ein Verein oder eine Institution? „Nee!“ sagt Adolph v. Harless

Dieses Thema haben wir vor ein paar Wochen schon einmal analysiert in Das Verständnis der Kirche als Institution und das lutherische Kirchenverständnis Aber, wie so oft, das haben wir uns das nicht selber ausgedacht. Recht lustig ist es bei der Ev. Luth. Kirche in Bayern vorbeizuschauen, wo gesagt wird: „Harleß‘ Meinung nach jedoch wuchs ein geistliches Amt aus der Gemeinde“. Fragen wir mal nach: Herr von Harless, wie legetimiert sich die Verfasstheit und das Predigtamt der Kirche? Aus der Gemeinde??

Im Staate ist die Ordnung des Gemeinwesens Selbstzweck und die Existenz einer legitimen Gewalt und Herrschaft das gottgeordnete Principale. In der Kirche aber nicht so; Ordnung und Regiment trägt da seine Legitimation nicht in sich, sondern empfängt alle Legitimation erst aus dem Verhältnis, in welchem beides zur alleinlegitimen und souveränen Herrschaft Christi und seines Wortes steht. Zu ihr verhält sich alles, was kirchliches Amt und kirchliches Regiment heißt, nur wie ein dienendes Mittel, das an sich selbst und losgelöst von diesem Zusammenhang und dieser Unterordnung keinen Anspruch auf Anerkennung um Gottes Willen oder kraft göttlicher Stiftung hat. „So auch ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen, anders, denn das wir euch geprediget haben, der

sei verflucht“ (Gal. >, 8 )

Kirche und Staat oder eine andere Institution gleichen sich also nicht?

Kirche, Staat und Familie erhält man nach Gottes Willen mir in dem Maße rein, in welchem man nicht, was das Wesen der einen Gemeinschaft ist, zum Wesen der andern macht.

Weltliche Institutionen sind also zu ihrem göttlich verordneten Zweck einfach da und haben darin schon ihre Legitimation. Die Kirche aber ist nur in sofern wirklich Kirche, als sie dem Wort Christi unterworfen und ihm dienend ist.

Einen Dienst der Kirche zur Vermittlung der Heilsgemeinschaft kennen wir, aber keine Kirche als Vermittlerin der Heilsgemeinschaft. Wir wissen, daß keine Gemeinschaft der Gläubigen bestehen kann, ohne daß sie sich in gegenseitigem Dienst zur Erbauung des Leibes bethätigt und zu diesem Zweck sich in gewissen Ordnungen bewegt, welche sich auf die Verheißungen Christi gründen, die der Gemeinschaft der Gläubigen gelten und in ihr zur Erfüllung kommen. […] Aber wir wissen nichts von einer Kirche, die mit bestimmten Ordnungen und Gliederungen gestiftet, d.h. durch ein göttliches Gesetz in eine gewisse Form des Amts und Regiments verfaßt wäre, um an dieser anstaltlichen Verfassung die Bürgschaft und Legitimation zu haben, daß in ihr und von ihr Wort und Sakrament recht und rein dargereicht werde. Das letzte ist römisch-katholische Meinung, nach welcher alle Gewißheit der Heilsgemeinschaft darauf ruht, daß Wort und Sakrament von der richtig verfaßten Kirche dargereicht werde. Wir aber halten fest, daß die Gewißheit unserer Heilsgemeinschaft davon abhängt, ob wir uns in rechtem Glauben auf Christi reines Wort und Sakrament allein gründen, indem wir dann von selbst auch Glieder jener Kirche sind, welche der wahre Leib des Herrn ist und für Zeit und Ewigkeit b l e i b t.

Also, eine äußere Form und äußere Auswirkungen muss und wird Kirche haben. Aber sie ist nicht von Gott in einer bestimmten Verfasstheit gegründet, sondern er gründet sie durch sein Wort, dem geglaubt und das verkündigt wird und seine Sakramente, die seinen Leib erbauen, Sündenvergebung und  „Leben, Heil und Seeligkeit“ schenken, und somit dargereicht und verwaltet werden müssen. Diese und die Konformität der handelnden Kirche mit ihnen definiert die Kirche, nicht umgekehrt.

Wenn nun dieselbe Kirche zur Erfüllung ihres Berufs in diesem Erdenleben sich in bestimmte Ordnungen des Dienstes in Amt und Regiment zur Erbauung des Leibes Christi gliedert, […] so halten wir ihren Dienst nur in dem Maße werth und göttlichem Willen gemäß, als Amt und Regiment von jenem Glauben getragen ist, welcher die Gemeinde der Gläubigen nicht mit amtlicher und regimentlicher Selbstherrlichkeit, sondern lediglich mit reiner Darbietung von Wort und Sakrament erbauen will, alles Recht und alle Macht des Amtes allein von reinem Wort und Sakrament abhängig macht und auf die rein, nicht auf die amtlich dargebotenen Gnadenmittel den Glauben und die Heilsgewißheit der Gläubigen gründet und zurückführt. Wenn Amt und Regiment als die sichtliche und anstaltliche Gliederung einer im wahren Glauben stehenden Gemeinschaft dies thut und leistet, dann ist ihr Dienst göttlicher Gnadenstiftung gemäß; wenn nicht, dann hat Amt und Regiment alle Berechtigung verloren und kann unter keinem Titel prätendierter göttlicher Stiftung Gehorsam beanspruchen. Denn Amt und Regiment stehen in Gottes Ordnung nur dann, wenn sie sich in ihrer Gestaltung und Leistung als erwachsen aus dem Geiste wahrhaft evangelischen Glaubens erweisen. Dann erst können sie auch wieder zur Erweckung und Förderung dieses Glaubens dienen.

Oh, hier kam das Wort Gehorsam vor. Auch Prof. Luthardt spricht ja von der Möglichkeit, dass eine Synode außerhalb der lutherischen Kirche treten kann, indem sie etwas beschließt, was der Schrift und dem die Schrift wiedergebenden lutherischen Bekenntnis widerspricht. Es ist also nicht verwunderlich, dass es eine zumindest stark lutherisch geprägte Gruppe war, die mit der Ulmer Erklärung sich, entgegen der häretischen Lehrinhalte der Deutschen Christen, „als rechtmäßige evangelische Kirche Deutschlands“ bezeichnete und damit den Beginn der bekennenden Kirche setzte. Dieser inhaltlich und eben nicht institutionell geprägte Kirchenbegriff ist aber wahrlich nicht nur lutherisch, sondern, siehe das Galaterzitat oben, eben auch der eigentlich christliche. Jede Kircheninstitution muss sich an ihrer Verkündigung und an den Sakramenten messen lassen, und verkündet sie „ein anderes Evangelium“ (und dazu gehören auch die Sakramente), dann mag sie zwar noch Kirche heißen, aber sie ist es nicht mehr.

Zitate aus: „Etliche Gewissensfragen hinsichtlich der Lehre von Kirche, Kirchenamt und Kirchenregiment.“ 1862

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