Dr. Martin Luther – Was ist das Wesen der Taufe? Wie ist sie als äußerlich zu verstehen? Und wer darf das, was die Taufe tut zu Recht sein eigen nennen?

Hier gleich noch einmal Dank an Schandor, Stephan und Frederik für Ihr fleißiges Kommentieren unter dem letzten Beitrag zum Übergabegebet. Wir wollen uns erst einmal näher mit dem Wesen der Taufe befassen, auf Schandors Anfrage. Wie ist die Taufe uns außenstehend (was das Übergabegebet ja nicht ist) und was ist ihr Wesen?

Martin Chemnitz, den „zweiten Martin“ haben wir hierzu schon zu Wort kommen lassen. Nun nochmal den ersten Martin aus dem Großen Katechismus:

1)„Daher hat es auch sein Wesen, daß es ein Sakrament heisst, wie auch St. Augustinus gelehrt hat: Accedat verbum ad elementum et fit sacramentum; das ist, wenn das Wort zum Element oder natürlichen Wesen kommt, so wird ein Sakrament daraus, das ist, ein heilig göttlich Ding und Zeichen.“

Zuerst betont Luther hier, dass die Taufe sich auf Gottes Befehl selbst gründet, speziell Markus 16[i]. Damit ist sie „ein göttlich Ding“ und nicht von Menschen erdacht, genauso wie die 10 Gebote, der in den Glaubensbekenntnissen bekannte Glaube und das Vaterunser direkte Offenbarungen Gottes sind. Sie ist wegen des direkten Befehls Gottes hoch und heilig zu halten, denn Gott selbst hat sie befohlen. Und er hat sie nicht nur befohlen, Gott selbst tauft uns auch durch den Menschen, der die Taufe vollzieht. Sie ist nicht Menschenwerk sondern Gotteswerk. Das Wasser und die taufende Hand sind nicht von Gott, dem Stifter des Sakraments zu trennen, und nicht sie definieren, was hier geschieht, sondern der Befehl und das Versprechen Gottes definieren die materiellen Akteure Wasser und Taufender.

Darum ist das Wasser „göttlich, himmlisch, heilig und selig“, jedoch strikt in seiner Eigenschaft als in der Gottes Befehl folgenden Taufhandlung teilnehmendes Medium. Es ist hoch und heilig, Wasser des Lebens, Bad der Wiedergeburt – weil Gott sagt, dass es das ist und weil es durch sein Versprechen Zeichen und Siegel der Wiedergeburt ist und die Sünden abwäscht. Aber es ist kein Wunderwasser, das an sich und in sich Wunderkräfte erhalten hat und behält. So sehr man auch dazu versucht ist, verbietet Luther die gedankliche Trennung des Wortes und des Wassers. Als Beispiel nimmt er den Elternstand (oeconomicam), der an sich selbst nichts ist. Doch Gottes Gebot „Du sollst Vater und Mutter ehren“ macht ihn hoch und edel.

„Derhalben vermahne ich abermal daß man beileibe die zwei, Wort und Wasser, nicht voneinander scheiden und trennen lasse. Denn wo man das Wort davon sondert, so ist’s nicht ander Wasser, denn damit die Magd kocht, und mag wohl eine Badertaufe heissen; aber wenn es dabei ist, wie es Gott geordnet hat, so ist’s ein Sakrament und heisst Christus’ Taufe. Das sei das erste Stück von dem Wesen und Würde des heiligen Sakraments.“

2) Was bezweckt, was schafft die Taufe?

Auch für diese Frage ist die Antwort bei Markus zu finden: sie macht selig. „Selig werden aber weiss man wohl, daß [es] nichts anderes heisse, denn von Sünden, Tod, Teufel erlöst, in Christus’ Reich kommen und mit ihm ewig leben.“ Das heißt natürlich nicht, dass der Glaube nicht auch selig macht, oder gar das nicht, woran man glaubt: Christi, des wahren Gottes und wahren Menschen Leiden und Sterben für unsere Rettung. Auch hier gilt: Glauben und Taufe sollten nach Möglichkeit nicht getrennt werden, es sei denn man hängt zum Beispiel an einem Kreuz und stirbt.

„Das wollen aber die blinden Leiter nicht sehen, daß der Glaube etwas haben muss, das er glaube, das ist, daran er sich halte und darauf er stehe und fusse. Also hängt nun der Glaube am Wasser und glaubt, daß [es] die Taufe sei, darin eitel Seligkeit und Leben ist, nicht durchs Wasser (wie genug gesagt), sondern dadurch, daß [es] mit Gottes Wort und Ordnung verleibt [verbunden] ist und sein Name darin klebt. Wenn ich nun solches glaube, was glaube ich anders denn an Gott, als an den, der sein Wort darein gegeben und gepflanzt hat und uns dies äusserlich Ding vorschlägt [vorlegt], darin wir solchen Schatz ergreifen könnten?“

Wer die Taufe um ihrer Greifbarkeit, Ihrer Materialität willen abtut, der sieht zu kurz. Denn Gott wirkt an uns eben durch äußerliche Dinge: Stimmbänder und einen tatsächlichen Mund, durch Hände, durch Papier und Tinte spricht er uns sein Wort zu. Warum soll er sein Wirken dann gerade nicht an „schlicht Wasser“ binden? Obwohl er es doch selbst gesagt und eingesetzt hat?

3) Wer kann sich so einer Taufe sicher sein, wer empfängt sie würdig oder richtig?

Auch hier ist die Antwort bei Markus zu finden: Wer da glaubt. „Denn weil solches allhier in den Worten bei und mit dem Wasser vorgetragen und verheissen wird, kann es nicht anders empfangen werden, denn daß wir solches von Herzen glauben. Ohne Glauben ist es nichts nütz, ob es gleich an ihm selbst ein göttlicher, überschwenglicher Schatz ist.“ Ich muss nur Gottes Versprechen meiner Rettung glauben, die Taufe ist das äußere Zeichen, das die Rettung wirkt und auf das sich mein Glaube, auch in Anfechtung, beziehen kann: „Darum hat ein jeglicher Christ sein Leben lang genug zu lernen und zu üben an der Taufe; denn er hat immerdar zu schaffen, daß er festiglich glaube, was sie zusagt und bringt: Überwindung des Teufels und Todes, Vergebung der Sünden, Gottes Gnade, den ganzen Christum und Heiligen Geist mit seinen Gaben. […] Also muss man die Taufe ansehen und uns nütze machen, daß wir uns des stärken und trösten, wenn uns unsere Sünde und Gewissen beschwert, und sagen: Ich bin dennoch getauft; bin ich aber getauft, so ist mir zugesagt, ich solle selig sein und das ewige Leben haben beide an Seele und Leib.“

Zuletzt ist sie auch ein Zeichen, dass Leib und Seele gerettet werden: „Denn darum geschieht solches beides in der Taufe, daß der Leib begossen wird, welcher nicht mehr fassen kann denn das Wasser, und dazu das Wort gesprochen wird, daß [es] die Seele auch könne fassen. Weil nun beide Wasser und Wort eine Taufe ist, so muss auch beide Leib und Seele selig werden und ewig leben: die Seele durchs Wort, daran sie glaubt, der Leib aber, weil er mit der Seele vereinigt ist und die Taufe auch ergreift, wie er’s ergreifen kann.“

[i] M. Chemnitz bringt noch einiges mehr als für die Taufe bestimmend an: „ Zum einen Wasser (Joh 3, Eph 5, Apg 10). Zum anderen Gottes Wort (Eph 5). Nämlich das Wort des Befehls der Taufe (Matth 28) und die Verheißung der Gnade (Mark 16). Denn dieses Wort ist das rechte Heiligtum, wodurch die Taufe ein reines Wasser (Ezch 36), ja, ein gnadenreiches Wasser des Lebens (Ezch 47, Sach 14) und ein Bad der Wiedergeburt wird (Tit 3).

3 thoughts on “Dr. Martin Luther – Was ist das Wesen der Taufe? Wie ist sie als äußerlich zu verstehen? Und wer darf das, was die Taufe tut zu Recht sein eigen nennen?

  1. Schandor

    Wunderbar. Meine Metamorphose zum Lutheraner schreitet offenbar voran.
    Noch macht mir die Sache mit dem Abendmahl Schwierigkeiten, doch was hier von der Taufe gesagt wird, meine ich zu verstehen und kann dem zustimmen. Geholfen hat mir folgendes:
    Ich habe bei Kurt Hutten einen Text gefunden, der das Fass bei mir zum Kippen gebracht hat. Man erlaube mir, ihn hier zu zitieren, denn es kann der Ergänzung dienen. Kurt Hutten spricht hier von der Ansicht, die Taufe sei eine Art Bündnisbesiegelung des Menschen:
    „Am sichtbarsten bricht der Gegensatz in der Tauffrage auf. Die Auseinandersetzung geht nicht um die Kindertaufe als solche. Die Kirche macht kein Dogma daraus, daß die Taufe nur an Kindern vollzogen werden darf. Die Auseinandersetzung geht vielmehr und die Wiedertaufe [Frage: Kann/muss ich Buße darüber tun?]. Die Kirche muß die Taufwiederholung unter allen Umständen verwerfen. Mit ihr wird ja ausgesprochen: Die erste Taufe war wertlos und ungültig. Warum? Weil der Getaufte noch ein unmündiges Kind war und keine eigene Entscheidung treffen konnte, die Taufe aber eine Bekehrung voraussetzt.
    Mit diesem Gedankengang wird im Grund die Taufe als Sakrament geleugnet. Der Sinn des Sakraments ist: Gott schließt von sich aus mit dem Täufling einen Bund. Gott ist also der handelnde Herr, der Täufling das Objekt, an dem Gott handelt. Gott ist der Aktive, der Täufling der Passive. An ihm geschieht etwas von Gott her. Das Taufsakrament ist der stärkste Ausdruck der zuvorkommenden Gnade Gottes uns spricht damit eine Grundwahrheit der Bibel aus: ‚Lasset uns lieben; denn er hat uns zuerst geliebt.

    Hinter der Glaubens- und Bekehrtentaufe und vollends hinter der Wiedertaufe aber steht ein anderes Verständnis der Taufe. Sie ist nicht mehr allein ein Handeln Gottes am Menschen, sondern der Mensch wird zu einem Partner Gottes; seine eigene Entscheidung wird eine unentbehrliche Komponente des Taufgeschehens. Die Taufe wird mit Bedingungen verknüpft: der Täufling muß eine bestimmte religiöse Qualität erreicht haben, damit die Taufe gültig sei. Hier wird die zuvorkommende Gnade Gottes gestrichen, das Wesen seiner Liebe und seines Bundesschlusses verkannt. Sobald die Taufe aber irgendwie mit der religiösen ‚Kondition‘ des Täuflings verkoppelt wird, gerät sie selbst ins Wanken; denn sie wird dann in das Auf und Ab des menschlichen Innenlebens hineingezogen. Sie ist nicht mehr krisenfest. Auf den Höhen, wenn der Fromme sich auf Grund seiner inneren Erfahrungen des Heils gewiß fühlt, bedarf er ihrer nicht; und in den Tiefen, wenn er durch die Nacht des Zweifels und der Angst geführt wird, kann sie ihm nicht helfen, weil er sie in ihrer Gültigkeit von seiner religiösen Seelenverfassung abhängig gemacht hat.
    Der Täufling, der aufgrund seine r Bekehrung die Wiedertaufe begehrt, tut das in der Absicht, in vollem Bewußtsein und mit festem Willensentschluß, den Bund mit Gott zu schließen. Für ihn ist die Taufe eher ein frommer Bekenntnisakt als ein Gnadenakt Gottes. Aber auch der entschieden Bekehrte ist nicht gegen innere Krisen gefeit. Er kann die ‚erste Liebe‘ nach der Taufwiederholung verlieren. Sein Gelöbnis der völligen Übergabe an den Herrn kann im zerreibenden Alltag mit seinen Versuchungen und Abstumpfungen zerbrechen. Was dann? Die Wiedertaufe sollte ihm Gewißheit geben, weil er an der Gültigkeit seiner als Kind empfangenen Taufe zweifelte. Aber nun enthüllt sie sich als Scheingewißheit. Denn die Taufgnade wurde auf das fromme Bewußtsein als zweiten Pfeiler gegründet und dieser Pfeiler ist brüchig.“ (Grübler, Seher, Enthusiasten, 1984, S. 301f)
    Nun habe ich die Wiedertaufe empfangen. Aber das, was ich hier zitiert habe, wusste ich damals nicht.
    Heute aber weiß und glaube ich es. Allerdings bin ich katholisch getauft. Was also nun?

    • A. Schneider

      Lieber Schandor,

      vielen, vielen Dank für Deinen bewegenden Kommentar und dafür, dass Du uns an Deiner Metamorphose teilhaben lässt. Und danke für den tollen Text! Ich musste gleich an ein anderweitig gepostetes Zitat Melanchtons denken, als ich Hutters besprechung der fehlenden Krisenfestigkeit las: „Was würde aber folgen in Anfechtungen? Wenn das Gewissen bei sich selbst/ würde anfangen zu disputieren/ „aus welchen Ursachen bist du abgetreten/ von dem allgemeinen und angenommenen Verstand und Meinung in der Christlichen Kirchen?“, dann würden diese Wort/ (das ist mein Leib) eitel Donnerschläge sein. Was will denn dann ein erschrockenes Gewissen/ solchen Donnerschlägen entgegensetzen? Mit welcher Schrift? Mit welcher Stimme Gottes/ will es sich verwahren/ und vergewissern, dass man notwendig habe müssen von den Worten weichen/ und sie anders verstehen und auslegen/ als sie lauten?“

      Das ist das „extra nos“, das außenstehende: nicht ich habe entschieden, nicht ich nehaupte sondern Gott hat versprochen, der Gott, der sich offenbart hat.

      Und bezüglich Deiner Wiedertaufe und ursprünglichen Taufe genügt es, soweit ich das in Erfahrung bringen konnte: a) dass Du die Wiedertaufe als falsch bekennst, wie Du es ja schon tust, woraus auch die Bitten um Vergebung folgt. Und damit hat sich die Wiedertaufe erledigt. Denn Du warst ja schon getauft -> b) Die Taufe der katholischen und orthodoxen Kirche wird von der lutherischen als gültig akzeptiert, daher gilt: Du bist getauft und kannst Dich auf diese Taufe fest verlassen. Gottes Versprechen zählen auch für sie. Man bedenke: auch Luther wurde katholisch getauft.

  2. Schandor

    Lieber Alexander,

    ja, es ist einfach so: Nachdem ich Luthers Galaterkommentar von 1531 gelesen habe (und bereits wieder darin lese), ist mir klar geworden, dass ich dringend das Evangelium brauche.
    Und nachdem ich mehrere systematische Theologien aus reformierter Seite gelesen habe, habe ich auch gemerkt: Hier wird das Gesetz stärker betont als das Evangelium, gerade anders als bei den Lutheranern.
    Ich bin quasi „gezwungen“, das Gold dort zu suchen, wo es in so reicher Fülle zu haben ist.
    Danke für die Hinweise zur Wiedertaufe. Zum damaligen Zeitpunkt erschien sie mir völlig richtig; heute erscheint sie mir falsch. Ich würde das nicht mehr tun.
    Ich bin längst nicht mehr so sicher, was das Abendmahl betrifft, wie ich es noch vor wenigen Monaten war. Schon wenn ich daran teilnehme, denke ich mir: Das ist mehr als „nur“ ein Gedächtnismahl, das tröstet, das stärkt, da esse ich doch Leib und Blut des Herrn (Johannesevangelium!). Also muss da einfach mehr dran sein, als von reformierter Seite (nicht zu reden von freikirchlich-babtistischer Seite) zugestanden wird. Ich bleibe also dran und freue mich über euch!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert