Gegen die Gesetzlosen. Vom dritten Gebrauch des Gesetzes

Mit den „Antinomern“, denen, die dem Gesetz keine Bedeutung zuerkennen, hatte schon Luther zu tun. Auch heute wieder gibt es Stimmen, die verlauten lassen, die Freiheit, zu tun und zu lassen, was man wolle, sei das Maß aller Dinge im Christentum. Andererseits wird den Lutheranern von reformiert geprägten Freikirchlern gern vorgeworfen, sie vergäßen die „Heiligung“, also die Anwendung der biblischen Gesetze auf das Leben des Christen. Dieser sei, da er nach seiner (bei diesen Denkrichtungen Glaubens-)Taufe von Heiligen Geist wiedergeboren sei, dazu befähigt und verpflichtet, das Gesetz einzuhalten. Uneinigkeit, Verwirrung und einander ausschließende Positionen also. Schauen wir dich einmal, was unser Bekenntnis über dieses Problem sagt!

1) Es gibt drei Gebrauchweisen des Gesetzes:

– zur Ordnung des Gemeinwesens, gültig für alle Menschen (hier gelten die Gesetze, die durch die natürliche Vernunft erkannt werden können, also auch Nichtchristen nachvollziehbar sind)

– zum Erkennen der eigenen Sünde

– nach der Wiedergeburt zur Bekämpfung des weiterhin sündigen Wesens

2) das Gesetze gilt nach der Wiedergeburt, weil

– es von Gott gegeben ist (und auch schon vor dem Sündenfall galt).

– die Wiedergeburt der Christen nicht vollkommen, sondern in dieser Welt nur angefangen ist. Geist und Fleisch kämpfen im Christen um die Herrschaft über ihn.

3) Die Gesetzeswerke, die aus Angst vor Strafe oder um einer Belohnung willen getan werden, sind auch bei Christen Werke des Fleisches. Werke, die nicht aus Eigensucht getan werden, wirkt der Geist Gottes in uns. Wir selbst können keine guten Werke aus eigener Kraft tun, weil wir sie dann wieder zum eigenen Nutzen tun.

Hier nochmal der ganze Text, inkl. der biblischen Nachweise:

VI. Vom dritten Brauch des Gesetzes.

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STATUS CONTROVERSIAE

Die Hauptfrage von diesem Streit.

Nachdem das Gesetz den Menschen um dreierlei Ursache willen gegeben: erstlich, daß dadurch äußerliche Zucht wider die Wilden, Ungehorsamen erhalten [werde]; zum andern, daß die Menschen dadurch zur Erkenntnis ihrer Sünden geführt [werden]; zum dritten, nachdem sie wiedergeboren, und gleichwohl das Fleisch ihnen anhängt, daß sie um desselben willen eine gewisse Regel hätten, nach welcher sie ihr ganzes Leben anstellen und regieren sollen: hat sich ein Zwiespalt zwischen etlichen wenigen Theologen über den dritten [Ge]Brauch des Gesetzes zugetragen, ob nämlich auch bei den wiedergebornen Christen solches zu treiben sei oder nicht. Der eine Teil hat ja, der andere nein gesagt.

AFFIRMATIVA.

Die rechte christliche Lehre von diesem Streit.

1. Wir glauben, lehren und bekennen, obwohl die recht gläubigen und wahrhaftig zu Gott bekehrten Menschen vom Fluch und Zwang des Gesetzes durch Christum gefreiet [befreit] und ledig gemacht [sind], daß sie doch der Ursache nicht ohne Gesetz seien, sondern darum von dem Sohn Gottes erlöst worden, das sie sich in demselben Tag und Nacht üben sollen, Ps. 119; wie denn unsere ersten Eltern auch vor dem Fall nicht ohne Gesetz gelebt welchen das Gesetz Gottes auch in das Herz geschrieben, da sie zum Ebenbild Gottes erschaffen worden, Gen. 2 und 3.

2. Wir glauben, lehren und bekennen, das die Predigt des Gesetzes nicht allein bei den Ungläubigen und Unbussfertigen, sondern auch bei den Rechtgläubigen [wahrhaftig Gläubigen], wahrhaftig Bekehrten, Wiedergebornen und durch den Glauben Gerechtfertigten mit Fleiß zu treiben sei.

3. Denn ob sie wohl wiedergeboren und in dem Geist ihres Gemüts verneürt [sind], so ist doch solche Wiedergeburt und Erneurung in dieser Welt nicht vollkommen, sondern nur angefangen, und stehen die Gläubigen mit dem Geist ihres Gemüts in einem stetigen Kampf wider das Fleisch, das ist, wider die verderbte Natur und Art, so uns bis in [den] Tod anhängt; um welches alten Adams wiIlen, so im Verstande, WiIlen und alIen Kräften des Menschen noch steckt, damits sie nicht aus menschlicher Andacht eigenwilIige und [selbst] erwählte Gottesdienste vornehmen, ist vonnöten, daß ihnen das Gesetz des Hern immer vorleuchte, desgleichen, daß auch der alte Adam nicht seinen eigenen WiIlen gebrauche, sondern wider seinen WiIlen nicht allein durch Vermahnung und Dräuung [Drohung] des Gesetzes, sondern auch mit den Strafen und Plagen gezwungen [werde], daß er dem Geist folge und sich gefangen gebe, 1 Kor. 9; Röm. 6. 7. 12; Gal. 5. 6; Ps. 119; Hebr. 13.

4. Was [so]dann den Unterschied der Werke des Gesetzes und der Früchte des Geistes belangt, glauben, lehren und bekennen wir, daß die Werke, so nach dem Gesetz geschehen, so lange Werke des Gesetzes seien und genennet [genannt] werden, solange sie allein durch Treiben der Strafen und Dräuung Gottes Zorns aus den Menschen erzwungen werden.

5. Früchte aber des Geistes sind die Werke, welche der Geist Gottes, so in den Gläubigen wohnt, wirkt durch die Wiedergebornen, und [die] von den Gläubigen geschehen, soviel sie wiedergeboren sind, als wenn sie von keinem Gebot[es Zwang] oder Belohnung wußten; dergestalt denn die Kinder Gottes im Gesetz leben und nach dem Gesetz Gottes wandeln, welches St. Paulus in seinen Episteln das Gesetz Christi und das Gesetz des Gemüts nennt [*, und gleichwohl nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade, Röm. 7 und 8].

6. Also ist und bleibt das Gesetz beides bei den Bußfertigen und Unbußfertigen, bei wiedergebornen und nichtwiedergebornen Menschen ein einiges Gesetz, nämlich der Unwandelbare Wille Gottes, Und ist der Unterschied, soviel den Gehorsam belangt, aIlein an dem [an den] Menschen, da einer, so noch nicht wiedergeboren, dem Gesetz aus Zwang und unwiIlig (wie auch die Wiedergebornen nach dem Fleisch tut, was [es] von ihm erfordert, der Gläubige aber ohne Zwang mit wiIligem Geist, soviel er neugeboren, tut, das keine Drohungen des Gesetzes aus ihm nimmermehr erzwingen könnten.

NEGATIVA.

Falsche Gegenlehre.

Demnach verwerfen wir als eine schädliche, christlicher Zucht und wahrhaftiger Gottseligkeit widerwärtige Lehre und Irrtum, wenn gelehrt wird, daß das Gesetz obgemeldeter Weise und Maß nicht bei den Christen und Rechtgläubigen, sondern aIlein bei den Ungläubigen, Unchristen und Unbußfertigen getrieben werden soIl.

Wem das noch nicht reicht und wer es ausführlicher braucht, bitteschön, hier die solida declaratio:

VI. Vom dritten Brauch des Gesetzes Gottes.

1. Nachdem das Gesetz Gottes nicht allein dazu nützt, daß dadurch äußerliche Zucht und Ehrbarkeit wider die wilden, ungehorsamen Leute erhalten, 2. desgleichen, daß durch solches die Menschen zur Erkenntnis ihrer Sünden gebracht, 3. sondern auch, wenn sie durch den Geist Gottes neugeboren, zu dem Hern bekehrt und also ihnen die Decke Moss aufgedeckt, [daß sie] in dem Gesetz leben und wandeln: hat sich über diesen dritten und letzten [Ge]Brauch des Gesetzes ein Zwiespalt etlicher wenig Theologen zugetragen, da der eine Teil gelehrt und gehalten, daß die Wiedergebornen den neün Gehorsam, oder in welchen guten Werken sie wandeln sollen, nicht aus dem Gesetz lernen, noch daraus dieselbe Lehre zu treiben sei, weil sie durch den Sohn Gottes freigemacht, seines Geistes Tempel [ge]worden und also frei, gleichwie die Sonne ohne einigen Trieb für sich selbst [von selbst] ihren ordentlichen Lauf vollbringt, also auch sie für sich selbst, aus Eingeben und Trieb des Heiligen Geistes, tun, was Gott von ihnen erfordert. Dagegen hat der andere Teil gelehrt: obwohl die Rechtgläubigen wahrhaftig durch den Geist Gottes getrieben werden und also nach dem inwendigen Menschen aus einem freien Geist den Willen Gottes tun, so gebrauche doch eben der Heilige Geist das geschriebene Gesetz bei ihnen zur Lehre, dadurch auch die Rechtgläubigen lernen, Gott nicht nach ihren eigenen Gedanken, sondern nach seinem geschriebenen Gesetz und Wort zu dienen, welches eine gewisse Regel und Richtschnur sei eines gottseligen Lebens und Wandels, nach dem ewigen und unwandelbaren Willen Gottes anzurichten.

Zur Erklärung und endlichen Hinlegung [endgültigen Beilegung] dieses Zwiespalts glauben, lehren und bekennen wir einhellig, daß, obwohl die rechtgläubigen und wahrhaftig zu Gott bekehrten und gerechtfertigten Christen vom Fluch des Gesetzes erledigt und freigemacht sind, daß sie sich doch im Gesetz des Hern täglich üben sollen; wie geschrieben steht Ps. 1 und 119: „Wohl dem, der Lust zum Gesetz des Hern hat und redet von seinem Gesetz Tag und Nacht.“ Denn das Gesetz ist ein Spiegel, in welchem der Wille Gottes, und was ihm gefälIig, eigentlich abgemalt ist, das man den Gläubigen stets vorhalten und bei ihnen ohne Unterlaß fleißig treiben soll.

Denn obwohl dem Gerechten kein Gesetz gegeben ist, wie der Apostel zeugt, sondern den Ungerechten, so ist doch solches nicht also bloß zu verstehen, daß die Gerechten ohne Gesetz leben sollen. Denn das Gesetz Gottes [ist] ihnen in das Herz geschrieben, und dem ersten Menschen [wurde] gleich nach seiner Erschaffung auch ein Gesetz gegeben, danach er sich verhalten sollte. Sondern die Meinung St. Pauli ist, daß das Gesetz diejenigen, so durch Christum mit Gott versöhnt, mit seinem Fluch nicht beschweren kann, auch die Wiedergebornen mit seinem Zwang nicht quälen dürfe [zu quälen brauche, zu quälen Ursache habe], weil sie nach dem inwendigen Menschen Lust haben an Gottes Gesetz.

Und zwar, wenn die gläubigen und auserwählten Kinder Gottes durch den einwohnenden Geist in diesem Leben vollkömmlich verneürt würden, also daß sie in ihrer Natur und allen derselben Kräften ganz und gar der Sünden ledig wären, bedürften sie keines Gesetzes und also auch keines Treibers, sondern sie täten für sich selbst [von selbst] und ganz freiwillig ohne alle Lehre, Vermahnung, Anhalten oder Treiben des Gesetzes, was sie nach Gottes Willen zu tun schuldig sind, gleichwie die Sonne, der Mond und das ganze himmlische Gestirn seinen ordentlichen Lauf ohne Vermahnung, ohne Anhalten, Treiben, Zwang oder Nötigung für sich selbst unverhindert hat, nach der Ordnung Gottes, die ihnen Gott einmal gegeben hat, ja, wie die lieben Engel einen ganz freiwilligen Gehorsam leisten.

Nachdem aber die Gläubigen in diesem Leben nicht vollkömmlich, ganz und gar, compIetive vel consummative, verneürt werden; denn obwohl ihre Sünde durch den vollkommenen Gehorsam Christi bedeckt [ist], daß sie den Gläubigen zur Verdammnis nicht zugerechnet wird, auch durch den Heiligen Geist die Abtötung des alten Adams und die Verneurung im Geist ihres Gemüts angefangen [ist] so hängt ihnen doch noch immer der alte Adam in ihrer Natur und allen desselben innerlichen und äußerlichen Kräften an; davon der Apostel geschrieben Röm. 7: „Ich weiß, das in mir, das ist, in meinem Fleisch, wohnet nichts Gutes.“ Und abermals: „Ich weiß nicht, was ich tü; denn ich tü nicht, was ich will, sondern das ich hasse, das tü ich.“ Item: „Ich sehe ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstrebet dem Gesetz in meinem Gemüte und nimmt mich gefangen in der Sünde Gesetz.“ Item: „Das Fleisch gelüstet wider den Geist und den Geist wider das Fleisch; dieselbigen sind widereinander, daß ihr nicht tut, was ihr wollet.“

Darum so bedürfen in diesem Leben die rechtgläubigen, auserwählten und wiedergebornen Kinder Gottes von wegen solcher Gelüste des Fleisches nicht allein des Gesetzes täglicher Lehre und Vermahnung, Warnung und Dräuung, sondern auch oftermals der Strafen, damit sie aufgemuntert [werden] und dem Geist Gottes folgen, wie geschrieben steht Ps. 119: „Es ist mir gut, Her, daß du mich demütigest, auf daß ich deine Rechte lerne.“ Und abermals, 1 Kor. 9: „Ich betäube meinen Leib und zähme ihn, daß ich nicht den andern predige und selbst verwerflich werde.“ Und abermals, Hebr. 12: „Seid ihr ohne Züchtigung, welcher sie alle sind teilhaftig worden, so seid ihr Bastarde und nicht Kinder,“ wie D. Luther solches mit mehr Worten in der Kirchenpostille, im Sommerteil, über die Epistel am 19. Sonntag nach Trinitatis ausführlich erklärt hat.

Es muß aber auch u1nterschiedlich erklärt werden, was das Evangelium zu dem neün Gehorsam der Gläubigen tü, schaffe und wirke, und was hierin, soviel die guten Werke der Gläubigen anlangt, des Gesetzes Amt sei.

Denn das Gesetz sagt wohl, es sei Gottes Wille und Befehl, das wir im neün Leben wandeln sollen, es gibt aber die Kraft und Vermögen nicht, daß wir’s anfangen und tun können, sondern der Heilige Geist, welcher nicht durch das Gesetz, sondern durch die Predigt des Evangelii gegeben und empfangen wird, Gal. 3, erneürt das Herz. 12] Danach braucht der Heilige Geist das Gesetz dazu, daß er aus demselben die Wiedergebornen lehrt und in den zehn Geboten ihnen zeigt und weist, welches da sei „der wohlgefällige Wille Gottes“, Röm. 12 „in welchen guten Werken sie wandeln sollen, die Gott zuvor bereitet hat,“ Eph. 2; vermahnt sie dazu, und da sie in dem [und wenn sie darin] von wegen des Fleisches faul, nachlässig und widerspenstig sind, straft er sie darum durchs Gesetz, also daß er beide Ëmter zusammen führt: er tötet und macht lebendig, er führt in die Hölle und führt wieder heraus; welches Amt ist nicht allein trösten, sondern auch strafen, wie geschrieben steht: „Wenn der Heilige Geist kommt, der wird die Welt“ darunter auch der alte Adam ist): „strafen um die Sünde und um die Gerechtigkeit und um das Gericht.“ 13] Sünde aber ist alles, das wider das Gesetz Gottes ist. 14] Und St. Paulus sagt: „Alle Schrift, von Gott gegeben, ist nütze zur Lehre, zur Strafe“ usw., und strafen ist das eigentliche Amt des Gesetzes. Darum, sooft die Gläubigen straucheln, werden sie gestraft durch den Heiligen Geist aus dem Gesetz und durch denselben Geist wieder aufgerichtet und getröstet mit der Predigt des heiligen Evangelii.

Damit aber, soviel möglich, aller Mißverstand verhütet, und der Unterschied zwischen den Werken des Gesetzes und des Geistes eigentlich [genau deutlich] gelehrt und erhalten werde, ist mit [be]sonderem Fleiß zu merken: wenn von guten Werken geredet wird, die dem Gesetz Gottes gemäß sind (denn sonst sind es nicht gute Werke), das hier das Wort: „Gesetz“ einerlei heißet [ein und dasselbe bezeichnet], nämlich den unwandelbaren Willen Gottes, nach welchem sich die Menschen in ihrem Leben verhalten sollen.

Der Unterschied aber ist in den Werken von wegen des Unterschieds der Menschen, die nach solchem Gesetz und Willen Gottes sich befleißigen zu halten. Denn solange der Mensch nicht wiedergeboren ist und sich nach dem Gesetz hält und tut die Werke darum, daß sie also geboten sind, aus Furcht [vor] der Strafe oder Gesuch des Lohns der ist noch [so ist er noch] unter dem Gesetz, und seine Werke werden von St. Paulo eigentlich Werke des Gesetzes genennet [genannt], denn sie werden von dem Gesetz erzwungen wie die [wie die der] Knechte; und das sind kainische Heilige.

Wenn aber der Mensch durch den Geist Gottes neugeboren und vom Gesetz freigemacht, das ist von diesem Treiber ledig [ge]worden und von den Geist Christi getrieben wird, so lebt er nach den unwandelbaren Willen Gottes, im Gesetz begriffen und tut alles, soviel er neugeboren ist, aus freiem lustigem Geist, 1 Tim. 1; Röm. 6. 8; und solches heißen nicht eigentlich Werke des Gesetzes, sondern Werke und Früchte des Geistes oder, wie es St. Paulus nennt, „das Gesetz des Gemüts und Gesetz Christi“. Denn solche Leute sind nicht mehr unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade, wie St. Paulus sagt Röm. 8.

Nachdem aber [da aber] die Gläubigen in dieser Welt nicht vollkommen erneürt [werden], sondern der alte Adam hängt ihnen an bis in die Grube so bleibt auch in ihnen der Kampf zwischen den Geist und Fleisch. Darum haben sie wohl Lust an Gottes Gesetz nach dem innerlichen Menschen aber das Gesetz in ihren Gliedern widerstrebt den Gesetz in ihrem Gemüte; dergestalt [daher, aus welche Art und Weise] sie denn nimmer ohne Gesetz und gleichwohl nicht unter, sondern im Gesetz sind, im Gesetz des Herrn leben und wandeln und doch aus Trieb des Gesetzes nichts tun.

Soviel aber den alten Adam belangt, der ihnen noch anhängt, muß derselbe nicht allein mit [dem] Gesetz, sondern auch mit Plagen getrieben werden, der doch alles wider seinen Willen und gezwungen tut, nicht weniger als die Gottlosen durch Dräuungen des Gesetzes getrieben und im Gehorsam gehalten werden, 1 Kor. 9; Röm. 7.

So ist auch solche Lehre des Gesetzes den Gläubigen darum nötig, auf das sie nicht auf eigene Heiligkeit und Andacht fallen und unter dem Schein des Geistes Gottes eigenerwählten Gottesdienst, ohne Gottes Wort und Befehl, anrichten, wie geschrieben steht Deut. I2: „Ihr sollt deren keins tun, ein jeder, was ihn recht dünket, sondern höret die Gebote und Rechte, die ich euch gebiete, und sollet auch nichts dazutun noch davontun.“

So ist auch die Lehre des Gesetzes in und bei den guten Werken der Gläubigen darum vonnöten: denn sonst kann ihm [kann sich] der Mensch gar leicht einbilden, daß sein Werk und Leben ganz rein und vollkommen sei. Aber das Gesetz Gottes schreibt den Gläubigen die guten Werke also vor, das es zugleich wie in einem Spiegel zeigt und weist, das sie in uns in diesem Leben noch unvollkommen und unrein seien, daß wir mit dem lieben Paulo sagen müssen: „Wenn ich mir gleich nichts bewußt bin, so bin ich darum nicht gerechtfertiget.“ Also, da Paulus die Neugebornen zu guten Werken vermahnt, hält er ihnen ausdrücklich vor die zehn Gebote, Röm. 13; und daß seine guten Werke unvollkommen und unrein seien, erkennt er aus dem Gesetz, Röm. 7; und David spricht Ps. 119: viam mandatorum tuorum cucurri, „ich wandle auf dem Wege deiner Gebote“; aber „gehe mit deinem Knecht nicht ins Gericht, denn sonst wird kein Lebendiger vor dir gerecht sein“, Ps. 143.

Wie aber und warum die guten Werke der Gläubigen, ob sie gleich in diesem Leben von wegen der Sünde im Fleisch unvollkommen und unrein sind, dennoch Gott angenehm und wohlgefällig sind, solches lehrt nicht das Gesetz, welches einen ganz [*ganzen] vollkommenen, reinen Gehorsam, wo er Gott gefallen soll, erfordert. Sondern das Evangelium lehrt, daß unsere geistlichen Opfer Gott angenehm seien durch den Glauben um Christus’ willen, 1 Petr. 2; Hebr. 11. Solchergestalt sind die Christen nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade, weil die Person von dem Fluch und Verdammnis des Gesetzes durch den Glauben an Christum gefreiet [befreit ist], und weil ihre guten Werke, ob sie gleich noch unvollkommen und unrein, durch Christum Gott angenehm sind, weil sie auch nicht aus Zwang des Gesetzes, sondern aus Verneürung des Heiligen Geistes, von Herzen, willig und Ungezwungen tun, was Gott gefäIlig ist, soviel sie nach den innerlichen Menschen neugeboren sind; gleichwohl aber führen sie einen stetigen Kampf wider den alten Adam.

Denn der alte Adam, als der unstallige, streitige Esel, ist auch noch ein Stück an ihnen, das nicht allein mit des Gesetzes Lehre, Vermahnung, Treiben und Dräün, sondern auch öftermals mit dem Knüttel der Strafen und Plagen in den Gehorsam Christi zu zwingen, bis das Fleisch der Sünde ganz und gar ausgezogen und der Mensch vollkömmlich in der Auferstehung erneürt [ist], da er weder der Predigt des Gesetzes noch seiner Dräuung und Strafen wie auch des Evangelii nicht mehr bedürfen wird, die in dies unvollkommene Leben gehören. 25] Sondern wie sie Gott von Angesicht zu Angesicht anschaün, also werden sie durch Kraft des einwohnenden Geistes Gottes freiwillig, ungezwungen, ungehindert, ganz rein und völlig mit eitel Freuden den Willen Gottes zu tun und sich an demselben ewig zu erfreün [den Willen Gottes tun und sich an demselben ewig erfreün] .

Demnach verwerfen und verdammen wir als einen schädlichen und christlicher Zucht, auch wahrer Gottseligkeit nachteiligen Irrtum, wenn gelehrt wird, daß das Gesetz obgemeldeter Weise und Maß nicht bei den Christen und Rechtgläubigen, sondern allein bei den Ungläubigen, Unchristen und Unbußfertigen getrieben werden soll.

Somit ist alles gesagt.

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