Zum Vortrag die Sache mit der Schlange und Rev. Mole Teil II – Wir müssen unsere Axiome offenlegen, wenn wir wirklich Antworten geben wollen

Nun wollen wir abschließend die letzten beiden Kritiken Rev. Moles noch bearbeiten. Im Beitrag letzte Woche versuchten wir schon klarzustellen:

  1. Dass der (eventuell) intendierte Gedankengang, der der Aufzählung der Schlangeneigenschaften zugrunde zu liegen scheint, unsererseits sehr wohl begriffen wird, er aber aus mehreren Gründen nicht nachvollziehbar oder irrelevant ist, denn
  2. die Schlange ist nicht das einzige durch Gift tötende Tier in der angenommenen Region
  3. das Argument, das Prof. Zimmer hier außer Kraft zu setzen sucht ist, zumindest bei Luther und – indirekt – auch bei Augustinus, nicht nachweisbar. Und somit kann die klassische Auslegung, nicht die Schlange selbst könne sprechen, sondern etwas anderes spräche durch sie, insofern und in diesem speziellen Punkt nicht entkräftet werden. Kurz: wir haben durch diese sieben Minuten Argumentation nichts Greifbares hinzugewonnen.

Nun also weiter:

Und, dass Jesus viel vom Satan / Teufel gesprochen hat stellt doch niemand in Abrede. Die Frage ist aber, wo und wie das Motiv der Schlange noch auftaucht oder verarbeitet wird. So etwas nennt sich Motivanalyse und zählt zu den exegetischen Arbeitsschritten. Und da findet sich eben innerbiblisch sehr wenig wo Schlange und Teufel in einen Kontext gesetzt werden. Erst in der Offenbarung und dann später bei Irenäus.

Motivanalyse ist super, natürlich haben wir kein Problem damit. Und es ist klar: die Zusammenführung der beiden Themen Schlange und Teufel kommt ausschließlich in der Offenbarung vor. Vielleicht werden die Jesusworte nicht in Abrede gestellt, aber sie werden vor allem nicht erwähnt und man lässt damit ein hochwichtiges exegetisches Problem außen vor. Daher kritisierten wir die selektive Darstellung des Sachverhalts und besprachen kurz das vermiedene Problem, und zwar:

Zimmers Darlegung beginnt eindeutig als (recht dramatische) Aufzählung der Nennungen des Teufels: „im ganzen Buch […] kommt niemals der Teufel vor“, genauer also des Nichtauftretens des Teufels in der ganzen Torah. Dann geht man über zum Rest des AT, das satanas je dreimal erwähnt. Der logische nächste Schritt wären die Erwähnungen im NT, und vielleicht eine Erklärung des dort gehäuften Vorkommens des Teufels. Es wäre möglich, diese Häufung über den Zoroastrismus zu erklären (wenn man die Axiome der liberalen Schule sein eigen nennt – siehe unten). Dann aber müsste man auch offen davon reden, dass Christus somit in seinen Aussagen inhaltlich von äußeren und kulturell nicht übertragbaren Inhalten beeinflusst worden ist und einen beschränkten Erkenntnishorizont hatte. Womit das mit dem „wahrer Gott und wahrer Mensch“ dann doch so langsam nicht mehr haltbar ist. Statt dessen wechseln wir plötzlich in eine andere Aufzählung, nämlich in besagte Motivanalyse (Teufel + Schlange = Offenbarung). Dies ist eine zumindest unglückliche Vermischung, denn der nicht so scharf Zuhörenden kann die notwendige Unterscheidung der Aussagen, eben auch durch die Vortragsweise, leicht verpassen. Vor allem aber vermeidet sie das Thema „Christusworte und ihre Konsequenzen“.

Doch die wären auch aus einem weiteren Apekt heraus interessant: Prof. Dr. Zimmer bekennt sich dazu, eine bestimmte Art der christuszentrierten Auslegungsweise zu vertreten, nämlich im Konfliktfall ohne zu Zögern „mit Christus gegen die Bibel“ zu argumentieren. Daher wäre es natürlich umso wichtiger für eine Beleuchtung des Konzepts des Teufels, die entsprechenden Christusworte heranzuziehen. Die offensichtliche Schlussfolgerung daraus wäre, dass, egal wie oft er im Alten Testament vorkommt, der Teufel zumindest eine gewichtige Figur ist.

Ebenso würde dann gelten, dass Christus die im Bericht vom Fall Gott als direkte Rede zugeordneten Worte über das „ein Fleisch werden“ auch ganz so versteht: als direkte Rede Gottes, die die eheliche Beziehung vom Mann und Frau grundlegend definiert. Es ist, wenn man solche innerbiblischen Auslegungsregeln behalten will, nämlich recht schwer Althergebrachtes einfach so rauszuwerfen. Von der „gottlosen“ Perspektive, also einer Arbeitsweise, die denken will, als ob es Gott nicht gebe, ist sowas daher verständlicherweise nicht nachvollziehbarer subjektiver Sentimentalismus.

Wenn dir Quellenangaben fehlen, dann kann ich deine Kritik verstehen, aber da muss ich dir auch sagen, das vieles, was SZ in seinen Vortragen sagt in theologischen Standardwerken zu finden ist. Das ist ja kein Geheimwissen, was nur ihm zugänglich ist.

Das Verständnis freut mich, mein Anspruch bezieht sich aber vor allem darauf, dass seinen Zuhörenden dieses Wissen nicht ohne größeren finanziellen Aufwand oder einen längeren Bibliotheksaufenthalt zugänglich ist. Und er trägt ja nicht vor Theologiestudierenden vor. Aber ja, mir fehlen Quellen, mir fehlt, wie gesagt, vor allem eine konkrete Festlegung des Ortes und der Zeit der Entstehung des Berichts, ohne die keine glaubhaften Aussagen über Einflüsse, Rezeptionsgewohnheiten etc. gemacht bzw. eben auch ausgeschlossen werden können. Was theologische Standardwerke angeht, sehe ich z.B. in Auszügen des AT Deutsch und bei Westermann auch hier an vielen Stellen wenig mehr als Behauptungen. „Im Sinne des Erzählers ist die Schlange schwerlich eine dämonische Macht“ im ATD, zum Beispiel. Bei Westermann ist sie zuerst magisches Lebens- und Weisheitstier und ohne mit der Wimper zu zucken darf sie zugleich auch etwas später eine zentrale Rolle in Erzählungen spielen, die sich darum drehen, wie der Tod in die Welt kam. Daraufhin müsste man ja langsam sagen, dass die Datenlage zumindest so vielfältig ist, dass man wenig Eindeutiges daraus ziehen kann. Außerdem macht man sich wenig Mühe bezüglich der Eingrenzung von Entstehungszeit und Ort und „Geschichten aus Afrika“ sind natürlich ganz klare Einflüsse auf eine nahöstliche Erzählung.

Zuletzt und grundlegend: Standardwerk ist ja nicht gleich Standardwerk, auch hier muss die größere Perspektive eingenommen werden. Spätestens seit dem frühen 19. Jahrhundert haben wir von ihren Grundausrichtungen her extrem unterschiedliche theologische Schulen und somit auch diesen Schulen zuzuordnende Standadtwerke, die sich durch bestimmte Axiome unterscheiden. Z. b. eben durch ihrer Definition dessen, was die Schrift ist. Sie ist für die einen „Urkunde und Aufzeichnung der Selbstoffenbarung Gottes in der Geschichte“, womit wir mal die klassische Position umranden wollen. Der Rest ist eine Vielzahl an Nuancen des Themas: „Nein, das ist sie nicht“ von der Möglichkeit der teilweisen Selbstoffenbarung in ihr – wie auch in anderen Kulturwerken – bis hin zur Vollverneinung, weil Gott der Uhrmacher oder eine Wahnvorstellung ist. Und um wirklich theologisch zu bilden und, im Idealfall, mündig zu machen, müssen wir zuallererst und grundlegend auf dieser Eben arbeiten, bzw. in unserer Arbeit stets im Bezug zu ihr stehen und auf sie hinweisen, wenn wir nicht wieder zu einfache Antworten liefern wollen.

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