Anlässlich des diesjährigen Reformationsfests eine kurze Betrachtung in diesem Sinne zu der bekannten Formel Ecclesia semper reformanda – Die Kirche muss stets reformiert werden:
Verbreitet meint man a) dies Zitat wäre Martin Luther zuzuschreiben und b) es bedeute, dass die Kirche eine „immer neu zu verändernde[i]“ sei, da reformieren ja bedeute etwas neu oder besser als vorher zu machen. Reformieren steht also hier ganz in der Tradition progressiven bzw. evolutionären Denkens, ja kann mit fortschreiten synonym gesetzt werden.
Punkt a) lässt sich relativ schnell erklären. Karl Barth war es, um ein Vielfaches später als Dr. Luther, der den Begriff, laut Theodor Mahlmann[ii], um 1947 prägte. Doch geschah dies nicht im modernen Gemeinsinn von reformieren, sondern in jenem, der auch im 16. Jahrhundert das Verständnis des Wortes prägte. Welches uns zu b) führt. Der Ausdruck bezieht sich nicht auf eben jene Idee progressiver Veränderung, sondern auf das wieder zum Eigentlichen bringen – der Reform einer korrupten Regierung, zum Beispiel, durch die Missstände abgeschafft und die Institution wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung und ihrem Idealbild gleich gemacht wird; eine Armee, die, nachdem sie durch Kampfhandlungen zerstreut wurde, wieder die ihr vorgegebene Formation einnimmt. Eine RE-formierung, also, keine NEU-formierung, oder im Fußballerischen: die Rückkehr zur ursprünglichen Aufstellung, keine Umstellung der Formation. Welche Instanz die wieder einzunehmende Form vorgibt, ist für die Kirchen der Reformation im Allgemeinen wie auch für die Lutherische Kirche im Besonderen immer klar: Sola Scriptura – die Bibel als Aufzeichnung der Selbstoffenbarung Gottes. Insofern kann der Ausdruck, trotz der gegensätzlichen Praxis von Frau Käßmann in ihrem Grußwort, nicht Rechtfertigung für eine sich stets verändernde Kirche sein, wohl aber für eine sich neu auf ihre Wurzeln und die Schrift besinnende.
Möge in diesem Sinne unsere Arbeit hier dazu einen Beitrag leisten.
[i] Margot Käßmann, Ansprache zur Eröffnungsveranstaltung des Zentrums für evangelische Predigtkultur in Wittenberg, 19.Feb. 2010
[ii] Theodor Mahlmann: „Ecclesia semper reformanda“. Eine historische Aufarbeitung. Neue Bearbeitung, in: Torbjörn Johansson, Robert Kolb, Johann Anselm Steiger (Hrsg.): Hermeneutica Sacra. Studien zur Auslegung der Heiligen Schrift im 16. und 17. Jahrhundert, Berlin – New York 2010, p. 382-441, here p. 384-388
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