Gottesdienstnachlese – Kantate 2016 – Ein Traum: Der Chorus Permixtum

Für die Form Dank an C.S. Lewis

 

In seiner Predigt zu Kantate arbeitete der Pfarrer am Beispiel eines Chores und brachte dies mit dem 5. Kapitel des Epheserbriefes zusammen. Vers 2 -„und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat“ – diente dabei als Gegenpol zu dem, was trennt, was nicht harmoniert, zu den Spaltungen, die nicht nur zwischen den großen Kirchen, sondern auch durch unsere eigene Kirche gehen…

Ich fand mich mitten in einem großen Chor wieder. Es sollte das schönste Werk jenes großen Komponisten aufgeführt werden und man befand sich in den Proben. Doch war schon seit langer Zeit nicht mehr zusammen gesungen worden, denn die Gruppe war in viele Faktionen zerfallen. Die erste dieser Teilgruppem war dem Werk in seiner notierten Form verpflichtet und sah es, wie sie betonten auch wegen des gewichtigen, wissenschaftlichen Materials bezüglich seines Ursprungs, als tatsächliche Schöpfung des Meisters selbst an. Freilich, sein Stil ging nicht leicht von den Lippen und er hatte nie den Geschmack eines breiten Publikums getroffen. Doch wenn man den Zugang zu ihm gefunden hatte (oder wohl besser umgekehrt), dann gab es nichts Besseres. Doch gab es auch innerhalb dieser Gruppe klare Spaltungen. Die Interpretation bestimmter, zentraler Passagen, war auf unvereinbare Weise unterschiedlich. Man war sich zwar gleich in der Liebe zum Komponisten und seines Werks, doch genau diese Hingabe verpflichtete auch und machte Kompromisse an bestimmten Stellen unmöglich.

Die anderen vorherrschenden Meinungen ließen sich grob in zwei Kategorien zusammenfassen:. Für die einen war das Werk in keinster Weise dem Komponisten zuzuschreiben. Sie hatten also entweder vollständige der teilweise Neukompositionen desselben entwickelt, die sie für in allen Teilen angemessener hielten. Oft wurde dies mit dem Publikum begründet, dem die eine oder andere Neufassung einfach mehr entsprach. Ja, gab es überhaupt ein Publkum auf dieser Erde, dem die Partitur des Komponisten überhaupt zugänglich wäre? So hätte kein ernsthafter Künstler geschrieben haben können. Das Werk musste, in Inhalt und Interpretation, dementsprechend grundlegend neu gestaltet werden.

Die andere hatten zuerst kaum Zweifel an der Authentizität der Partitur. Doch wähnten sie sich, angefangen durch eine innige Beschäftigung mit einzelnen Passagen, in direktem, persönlichen Kontakt mit dem Komponisten selbst. Ja, sie wussten, was er verändern würde, wo er streichen oder um ein vielfaches erweitern wolle. Zuerst hielt sich das, fast bis zur Kopie, an die Vorgaben des Originals. Doch mit der Zeit wurden immer mehr Themen laut, die, von kleinsten Abschnitten, gar einzelnen Noten ausgehend, völlig eigene Improvisationen in ganz anderen Harmonien hervorbrachten. Andere Beiträge dieser Gruppe glichen nach und nach immer mehr denen der Zweiten, wobei der Grund auch hier der Gedanke an das Publikum war.

Nachdem ich soviel begriffen hatte, bemerkte ich, dass es immer lauter wurde. Es begann aus jeder Gruppe Gesang zu tönen – aus der ersteren ein einheitlicher Klang, soweit es sich nicht um die umstrittenen Partien handelte. Die anderen beiden füllten den Proberaum mit einer wahrhaften Kakophonie. An diesem Punkt wurde es alptraumhaft. Nur vereinzelt konnte das ursprüngliche Stück noch erahnt werden. Meine Ohren schmerzten und ich wurde von tiefer Traurigkeit erfüllt. Plötzlich jedoch endete der Lärm mit einigen vereinzelten Ausrufen des Erschreckens. Denn wie aus dem Nichts war plötzlich mitten unter ihnen der Komponist selbst erschienen.

Hier wurde ich aus dem Schlaf gerissen und fand mich in meiner Kirchenbank wieder, gerade, als der Kanzelsegen gesprochen wurde: „Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen“

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