In welchem Verhältnis steht das Wirken Gottes zu unserem Glauben und unserem Tun?
Weder gibt es einen Glauben ohne Konsequenz, die zur Tat wird, noch bestimmen Glaube und sich an ihn anschließende Tat das Wirken Gottes an uns.
Papisten und Wiedertäufer stimmen nämlich heute kräftig in dieser einen Meinung gegen die Kirche Gottes überein, dass das Werk Gottes von der Würdigkeit der Person abhänge. Denn so lehren die Anabaptisten: Die Taufe ist nichts, wenn die Person nicht im Glauben steht. Aus diesem Grundsatz (wie man das nennen muss) folgt mit Notwendigkeit, dass alle Werke Gottes nichts seien, wenn der Mensch nicht gut ist. Die Taufe aber ist doch Gottes Werk, aber der böse Mensch macht, dass sie nicht Gottes Werk sei. Man muss weiter folgern: […] Die Sonne, der Mond, die Erde, die Gewässer, die Luft und alles, was den Menschen unterworfen ist, haben Gottlose inne, aber weil sie gottlos und nicht fromm sind, darum sind die Sonne, der Monde, die Erde, das Wasser, die Luft nicht das, was sie sind.
Luther, Einleitung zur Galaterbriefvorlesung
[Diese sind Irrlehrer], die sagen, der Dekalog sei aus der Kirche wegzuräumen, die Menschen sollten nicht durchs Gesetz erschreckt werden, sondern seien durch die Gnade Gottes freundlich zu ermahnen. […] aber natürlich wird auf diese Weise kein Mensch von seiner Sünde überführt. Als ob wir nicht wüssten und nie gelehrt hätten, daß die angefochtenen und zerschlagenen Geister durch Christus aufzurichten seien, die harten Pharaonen aber, denen Gottes Gnade vergeblich gepredigt wird, seien durchs Gesetz zu schrecken […].
Luther, Einleitung zur Galaterbriefvorlesung
Die beiden Zitate machen uns darauf aufmerksam: Das Wirken Gottes geschieht, wo und wann er will (CA 5). Es hängt weder von unserer Glaubensintensität ab, noch von anderen, menschlich kontrollierbaren oder bestimmbaren Bedingungen. Die freiwillige Selbstbindung Gottes, der Ort, an dem er sich gewiss finden lässt, sind Evangelium, Sakramente und Predigt. Unabhängig von unserem Beitrag sind diese Gnadenorte bereitgestellt. Unser Mitwirken ist demnach lediglich eine Annahme, ein Empfangen, nehmen statt geben.
Doch ruft uns damit Luther nicht zu einem laissez-faire-Lebensstil auf, genausowenig wie Paulus das tat (Röm 3,31; Röm 6). Damit ein Mensch das Evangelium annehmen kann, braucht es eine Vorbereitung des Menschen. Der Mensch muss vor dem Forum der Schrift ausgelegt und verändert werden, er wird umgestaltet. Die suchenden, unfertigen, aus ihrer Selbstsicherheit herausgerissenen Gemüter sind die, die das ‚Nehmen statt Geben‘ in angemessener Weise an sich vollziehen lassen können (Mt 11, 28).
Wir sind nicht in der Lage, einen Beitrag zum Werk Gottes hinzuzufügen. Unser Beitrag kommt vom Werk Gottes her und ist auf unsere Mitmenschen gerichtet. Ihnen gelten unsere guten Taten und Bemühungen, Gott dagegen nicht unsere tätige Betriebsamkeit, sonder Glauben und Vertrauen:
Denn mit keinem anderen Werk kann man Gott erlangen oder verlieren, als allein mit Glauben oder Unglauben, mit Vertrauen oder Zweifeln. Der anderen Werke reichet keines bis zu Gott.
Luther, Von den guten Werken. In: Kurt Aland (Hrsg.), Luther Deutsch, Bd. 2. Der Reformator, Göttingen 1991, S. 113.