Das Evangelium des 23. Sonntags nach Trinitatis (Mt 22, 15-22) lautete:
Da gingen die Pharisäer hin und hielten Rat, dass sie ihn fingen in seinen Worten, und sandten zu ihm ihre Jünger samt den Anhängern des Herodes. Die sprachen: Meister, wir wissen, dass du wahrhaftig bist und lehrst den Weg Gottes recht und fragst nach niemand; denn du achtest nicht das Ansehen der Menschen.Darum sage uns, was meinst du: Ist’s recht, dass man dem Kaiser Steuern zahlt, oder nicht?Da nun Jesus ihre Bosheit merkte, sprach er: Ihr Heuchler, was versucht ihr mich?Zeigt mir die Steuermünze! Und sie reichten ihm einen Silbergroschen.Und er sprach zu ihnen: Wessen Bild und Aufschrift ist das?Sie sprachen zu ihm: Des Kaisers. Da sprach er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!Als sie das hörten, wunderten sie sich, ließen von ihm ab und gingen davon.
´Der Text dürfte zumindest regelmäßigen Gottesdienstteilnehmern vertraut sein. Gern wird bei einer Auslegung vor allem darauf Wert gelegt, dass damit die staatliche Eigenständigkeit ausgesagt sei. Religion und Politik sind bis zu einem gewissen Grad zu trennen. Ein anderer Blickpunkt erschließt sich, wenn man nach Gesetz und Evangelium im Text fragt.
Dazu ein kleines Bild: Eine Geschäftsfrau besucht ihre Eltern und sagt zu ihnen: Hier im Koffer sind 10 Millionen Euro. Ich habe ausgerechnet, dass das mein Wert ist, all eure Investitionen in mich und Schmerzensgeld für alle schlaflosen Nächte. Von nun an bin ich frei von euch, denn ich habe meine Schuld euch gegenüber ja abbezahlt.
So ähnlich ist die Denkweise, wenn wir Gott mit ein paar Gaben unseres Lebens, sei es Geld, seien es (v.a. in früheren Zeiten) Naturalien, seien es Taten, Verhalten oder Gebete, dafür bezahlen wollen, dass er uns liebt. Man müsste schon alles geben, was man hat, d.h., sein Leben, um sich selbst auszulösen. Aber da wir uns nicht selbst gemacht haben, reicht selbst das nicht aus. Gott geben, was Gott ist, geht also nicht, auf keine materielle oder immaterielle Art und Weise. Zu all unseren Versuchen sagt das Gesetz immer nur: Das reicht nicht.
Wenn wir versuchen, Gott zu geben, was Gott ist, erkennen wir, dass wir verdammt sind, dass wir nicht genügen.
Deshalb können wir auch dem Kaiser geben, was des Kaisers ist: Ihm schulden wir nicht unser Leben. Dem Staat mag eine gewisse Steuer zustehen, unser Leben gehört ihm nicht. Alles, was er rechtmäßig verlangen kann, können wir auch einlösen. Wenn er unser Leben, unser Alles einfordert, dann handelt er unrechtmäßig und es ist ihm zu widerstehen.
Was aber bleibt für unser Verhältnis zu Gott? Die Erkenntnis, nichts tun zu können, lässt uns ein helles Licht aufgehen, dass diese Art nicht die richtige Art ist, Gemeinschaft mit Gott zu suchen. Dagegen werden uns die Augen geöffnet, das Evangelium wahrzunehmen: Gott ist zu uns gekommen. Nicht wir haben etwas in der Hand, um ihm zu begegnen, sondern er nimmt uns an die Hand. In der Annahme dieser göttlichen Souveränität, im Vertrauen auf Christi Fürsprache für uns, liegt das offene Geheimnis. Erkennen wir an, dass wir uns nicht auslösen können, sondern – im Gegenteil – zu ihm hin zu fliehen haben, ist uns der Weg Gottes mit uns schon offenbar geworden.