[Jesus] aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein.Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit!Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen.Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein.Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da.Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde.Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.
Bei diesem Gleichnis hört man im christlichen Kontext oft die Frage: Und wer bis du nun, der Freund, der die Einladung ausschlägt oder der Bettler, der sie wahrnimmt? Fromme antworten darauf dann gerne: Ich sehe das als eine Ermahnung für mich an, dass ich als Freund Jesu aufmerksam bin und seine Einladung nicht ausschlage.
Ich möchte mit diesem Beitrag gern zeigen, dass man beide Positionen gleichwertig auf sich beziehen kann – wenn man das Gleichnis als Wort Gottes im Verhältnis von Gesetz und Evangelium betrachtet. Im Falle dieses Gleichnisses geht das im ersten Schritt sogar ziemlich schematisch und „wie im Lehrbuch“. Aber da Gottes Wortes immer aktuell, für die jeweilige Gelegenheit gehört wird, zeige ich im zweiten Schritt, wie auch in diesem Gleichnis die Aufgabe des Predigers besteht, der Gemeinde Gesetz und Evangelium je nach der Gemeindesituation zu predigen – je nach Gelegenheit oder Situation, in der die Gemeinde steht.
Zunächst: Gesetz: Gesetz, tötendes, verdammendes Wort Gottes in diesem Gleichnis Jesu ist, dass du, als der eingeladene Freund oder die eingeladene Freundin, die Einladung ausgeschlagen hast. Du hast deine Beziehungen, deine Arbeit und deinen Besitz als wichtiger erachtet als Gemeinschaft mit Gott. Du hast versucht, durch eigenes Tun gerecht zu werden, und hast nicht empfangen. Du hast gesündigt. Du bist außen vor. Das, was Jesus in Bezug auf die Freunde sagt, ist nicht nur eine Warnung und Ermahnung. Es ist ein Todesstoß. Sie bleiben draußen (Mt 8, 12).
Evangelium: Du bist außen vor. Du bist nichts, du hast nichts. Vor Gott kannst du nichts leisten. Du bist ein Bettler am Wegesrand. Doch an dich ergeht die Einladung: Komm mit zum Festmahl! Das hast du nicht gemacht – du hast keine Voraussetzung dafür geschaffen, dass Gott dich rief, du hast keine Leistung erbracht: Nimm die Einladung an, schenke ihr Glauben, das heißt: Komm mit!
Nun aber noch einmal anders herum: Fangen wir mit dem zweiten Teil an. Gesetz: Du bist außen vor. Du bist Bettler am Wegesrand. Vor Gott kannst du nichts vorweisen. All dein Lebenswerk verschwindet vor seiner Größe, übrig bleibt deine Unreinheit, Gefallenheit, Blindheit. Du kannst keine günstigen Startvoraussetzungen schaffen. Auf ein Wagnis hin musst du mitkommen, ohne zu wissen was dich erwartet. Und wenn du nicht mitkommst, bis du verdammt, bleibst außen vor und am Wegesrand sitzen.
Evangelium: Du bist Freund. Jesu. Du bist eingeladen. Alles ist bereit! Alles wartet nur auf dich! Du bist gerufen, am Festmahl teilzunehmen.
An dieser beispielhaften Auslegung wird deutlich: Gesetz und Evangelium sind nicht zwei verschiedene Worte Gottes, sondern sie sind zwei Ausdrucks-, ja vielmehr Hörweisen des einen Wortes Gottes, die jedoch natürlich nicht wahllos, sondern in angemessener Weise gewählt werden müssen. Es lässt sich kein Lehrbuch schreiben, wo in der Bibel nun Gesetz, wo Evangelium zu finden ist. Das eine Wort Gottes kann (und wird) mir – in der Funktion des 2. Gebrauchs des Gesetzes – Sünde aufdeckendes Gesetz sein, welches mir zeigt, wie fern ich Gott bin und mich verdammt. Und das eine Wort Gottes wird mir ebenso rettendes, weil mir Gottes Liebe verkündigendes Evangelium, gute Botschaft, sein.
Das Evangelium besteht einzig und allein in Christus, seinem Tod und seiner Auferstehung zur Vergebung der Sünden – für mich, für uns alle. Und weil Christus gekommen ist um die Sünder zu rufen, nicht die Gesunden, wird in diesem Evangelium auch die Aufdeckung meiner Identität als Sünder zur guten Botschaft, denn für mich kam Christus, denn ich bin Sünder! Im alltäglichen Christenleben wird hieraus eine Art Wasserhaushalt zwischen dem 3. Gebrauch und dem 2., zusammen mit dem Evangelium. Den dritten Gebrauch – das Aufzeigen des Willens Gottes für das erlöste Gewissen um seinem Willen fröhlich und aus reiner Dankbarkeit nachzufolgen – bedingt das Evangelium. Ohne die Erlösung können wir nicht frei und dankbar dienen, weil wir an unserer Sündhaftigkeit zerbrechen würden (so wie es Luther vor seiner „Entdeckung“ ging“). Wir hätten auch den Heiligen Geist nicht, der uns überhaupt erst zum Guten befähigt. Und doch zeigt uns auch hier das Gesetz in unserem Willen zur Nachfolge ständig unseren immer noch währenden Zustand als Sünder auf, denn wir tun nicht das, was wir wollen, wollen nicht das, was Gott will. Diesen täglichen Umgang mit der eigenen Sünde zeichnete Christus schon im Vaterunser vor, wo täglich um die Vergebung der Sünden gebeten wird.
Die christliche Kirche muss sich davor hüten, immer nur einen der beiden Aspekte zu predigen – so sie nicht in Beliebigkeit oder Böswilligkeit enden will, sondern tatsächlich Gottes Botschaft weitersagen möchte.