Martin Chemnitz – wieder ist es sein „Die reine, gesunde Lehre von der wahren Gegenwärtigkeit des Leibs und Bluts Christi in seinem Abensmahl etc.“ – nimmt uns das Abendmahl in seine Einzelteile auseinander und hilft uns somit, klar zu beschreiben, was wir glauben und nicht glauben, nämlich:
- Dass man beim Abendmahl 4 Dinge empfängt, nicht zwei
- Und, dass man sie auf zwei Weisen isst bzw. trinkt
Mit diesen zwei Arten des Essens wollen wir uns mit seiner Hilfe etwas näher befassen.
Zuerst einmal die manducatio physica – das stoffliche bzw. das natürliche Essen. Diese betrifft die Elemente Brot und Wein ganz offensichtlich. „Nämlich/wenn ein Speise/die man sehen/greifen und fühlen kann/natürlicherweise/also genossen wird/das sie mit den Zähnen zerbissen/oder sonst im Munde gekäuet/oder zerschmelzet/durch die Gurgel in den Magen eingeschlungen wird…“Jedoch darf sie nicht auf die Elemente des Blutes und Leibs Christi ausgeweitet werden. Dies ist ein Fehlverständnis, dass auf die sogenannten Capernaiten zurückgeht. Der Leib Christi wird von ihm also nicht so dargeboten „als würde er etliche Stück von seinem Leibe abschneiden/und also zu Essen geben/wie man einStück Rindfleisch auffrisset.“ Das heißt, das Essen des Leibs Christi schadet seinem Leib nicht, verletzt und zerstört ihn auch nicht. Er wird auch nicht auf natürliche Weise verdaut, verwertet und ausgeschieden. Aber den Elementen Brot und Wein gilt die manucation physica.
Zum zweiten das geheimnisvolle, das wunderbare Essen, „die Alten nennens Sacramentalem manducationem“. Denn neben diesem sinnlich erfahrbaren Essen des Brots und des Weins geschieht zugleich auch ein übersinnliches Essen, bei dem der wahre Leib und das wahre Blut Christi mit dem Mund empfangen wird. „Wenn nun im Abendmahl der Mund das Brot nimmt/so isset er nicht ein gemeines Brot/wie Ireneus sagt/sondern das Brot/mit welchem wahrhaftig und wesentlich gegenwertig ist/und zu essen gegeben wird/der Leib Christi/denn also lauten die Wort/“Er nahm das Brot/gab’s ihnen/und sprach/Nehmet hin esset/das ist mein Leib/der für euch gegeben wird.“ Wie nun Unio[1] nicht ist physica das ist/wie der Leib Christi/gegenwertig ist mit dem Brot im Abendmahl/nicht natürlicherweise, also isset auch der Mundt denselbigen/nicht auf solche natürliche leibliche Weise/wie das Brot/davon droben gesagt/ und gleichwohl empfahet[2] und isset der Mundt wahrhaftiglich den Leib Christi/denn also lauten die Wort/rund und klar/das ihr mit dem Munde empfahet/und esset, das ist mein Leib.“ Die Tatsächlichkeit des Empfangens beruht also nicht auf unserem Empfinden sondern allein auf Christi Versprechen. Gleichzeitig wird nach unserem Sinneseindruck das Brot und der Wein nicht zu Fleisch und Blut verwandelt. Aber viel wichtiger noch eben auch nicht nach dem Zeugnis der Schrift, denn Paulus spricht eindeutig von Brot, Wein, Leib und Blut.
Um zu rekapitulieren: Beim Abendmahl essen und trinken wir wirkliches irdisches Brot und irdischen Wein. Diese werden irdisch gegessen und irdisch verwertet – physica. Weil Christus diese irdischen Elemente jedoch austeilt und sie seinen Leib und Blut nennt – und der Pfarrer dies auf seinen Befehl und in seinem Namen auch tut – sind sie ebenso tatsächlich Christi Leib und Blut – Leib und Brot und Blut und Wein sind auf übernatürliche Weise eine Einheit – Unio Sacramentalis. Doch wird der Leib Christi nicht auf irdische Weise gegessen und verwertet und dem Körper des Essenden einverleibt wie das mit Brot und Wein geschieht. Und doch ist das Essen, das Empfangen des Leibs und Bluts nicht von Wein und Brot zu trennen, es geschieht also über den Mund – kauend, essend – mandukatio.
Die Auswirkungen des natürlichen Essens – der manducatio physica – sind ausreichend bekannt und oben schon benannt. Auch wie sie geschieht oder welche Form sie nimmt ist soweit klar. Wie aber ist das mit dem geheimnisvollen Essen?
„Durch solch Nehmen und Essen/[wird] der Leib des Herren nicht allein nach seiner Kraft und Wirkung/ sondern auch nach seinem Wesen/ vereinigt,/nicht allein mit dem Herzen/Geist oder Seelen/durch den Glauben/sondern auch mit dem Leibe, Fleisch und Blute/derer so dies Sakrament genießen/und dasselbige nicht also/dass es sei ein vergängliche Speise des Bauchs/sondern ein Himmlisch Essen, den Gläubigen zum ewigen Leben den Unwürdigen aber zum Gericht[3].„
Der Leib und das Blut des Herrn wird also nicht capernaitisch – nach der physica – gegessen, und doch vereinigen sie sich tatsächlich – nach Wirkung und Wesen – mit den Gläubigen, die sie empfangen. Und das nicht nur geistlich oder spirituell sondern auch ganz körperlich. Denn – wir vergessen es so oft – Christen glauben und bekennen schon im apostolischen Glaubensbekenntnis die carnis resurrectionem, die Auferstehung des Fleisches. Dieser sterbende, unperfekte, krankende Körper wird ebenso vervollkommnet und geheiligt wie meine Seele, in der hier noch der alte und der neue Adam im steten Widerstreit liegen. „so ergreift doch das Herz durch den Glauben / aus Gotteswort/ den Trost/ das Christus durch solche Austeilung seines Leibs und Bluts/allen denen/so es im Sakrament/mit Glauben empfangen / gibet/ schenket/und zueignet/alle sein Verdienst und Wohltaten/denn der Glaube lernet und betrachtet aus den Worten der Einsetzung/ mit fröhlichem dankbarem Herzen/diese höchste Wohltat des Sohnes GOTTES/dass er sich nicht allein mit seinem Geist/ sondern auch noch darüber/ mit wahrhaftiger Austeilung und Überreichung / seines theuerbaren Leibes and Blutes/ aufs Genaueste und feste zu uns tut/und in uns sein will/dass wir das Leben haben in uns wohnend/und eins mit ihm sein/Bein von seinem Beinen/Fleisch von seinem Fleische/dieweil das heilige Fleisch das für der Welt leben gegeben ist/darin das Leben wohnet/mit uns vereinigt/in/mit/und bei uns ist/und also/das aller gewisseste Pfand unserer Seligkeit haben./dass auch unsere arme nichtige Körperlin/in die Gemeinschaft der hohen Himmlischen Güter angenommen werden/dieweil (wie Ireneus sagt) auch unser Leib/das Abendmal zu sich nimmt und empfahet. Wie auch Lutherus spricht/Tomo 3.folio 394. […] denn auch der unverständige Leib nicht weiß/dass er solche Speise isset/dadurch er soll ewig leben/denn er fühlets nicht / sondern stirbt dahin und verfaulet / als hätte er sonst andere Speise gessen/wie ein unvernünftig Tier aber die Seele sieht und verstehet wohl/dass der Leib müsse ewiglich leben/weil er ein ewige Speise zu sich nimmt/die ihn nicht lassen wird im Grabe oder Staube verfaulen und verwesen.“
Die essenziellen Elemente für diese Lehre sind also die Offenbraung Gottes, aufgezeichnet in der Heiligen Schrift und, genauer betrachtet, ein ganz bestimmtes Versprechen Christi und ein Auftrag. Aus ihnen entspringt dieses zwiefache Essen, das uns voll Ehrfurcht auf die Knie bringen sollte. Er, der Herr selbst, will bei mir einkehren, mit meinem Leib und meiner Seele eins werden, mir all seine Güter zuteilwerden lassen – Amen! Halleluja!
[1] Die Unio – die „Einheit“ des Leibes und Blutes Christi mit dem Brot und dem Wein ist nicht physica, das heißt nicht stofflich Art, wie in der Transsubstantiationslehre aber auch in der Konsubstatiationslehre.
[2] empfangt
[3] Laut Paulus: 1. Kor. 11,29