Was das geistliche Leben betrifft, wird die evangelische bzw. lutherische Kirche oft als recht arm wahrgenommen. Keine Stundengebete, keine Ikonen, keine Bekreuzigung. Denn: Stundengebete und Bekreuzigung, auch Bildmeditation, diese Dinge gibt es alle, aber sie sind oft nicht bekannt, oder werden doch eher mit anderen Konfessionen verbunden. Das ist natürlich nicht die Folge der lutherischen Reformation, sondern die Folge aufklärerischen Zeitgeschmacks seit dem 18. Jahrhundert. Formen und Farben sind blöd. was zählt, ist das reine Wort, so der lange Barth der Erzählung. Mit der lutherischen Lehre sind jedenfalls viele der seit der Alten Kirche überlieferten oder entwickelten Frömmigkeitsübungen vereinbar. Besonders gilt das, wie uns Valentin Ernst Löscher nahelegt, von der Mystik. Und zwar nicht, weil das so eine nette ökumenische Sache ist, die hübsch aussieht und nicht wehtut, wenn wir sie in die Fernsehkamera halten, sondern, weil die wahre Mystik der Lehre von der Rechtfertigung allei naus Gnaden entspricht. Wie, das hat Löscher schon erklärt, also lassen wir ihn einfach zu Wort kommen:
Mystische Theologie hebt (sogar so, wie sie im Papsttum gelehrt wird) das Wesen desselben auf, oder tötet, um es so zu sagen, tötet das Herz des Papsttums, nämlich die Lehre vom Verdienst guter Werke und der dadurch erlangten Gerechtigkeit. Drei Hauptlehren der Mystik sind es, die der Lehre vom Verdienst der Werke völlig widersprechen.
Erstens: Ein wahrer Gottseliger soll auf gar keinen Verdienst achten oder um dessen Willen Gott dienen, sondern aus lauterem Herzen um Gottes Willen fromm leben. Das lehren die Mystiker, wenn sie von der Selbstverleugnung und Tötung des Selbst und der Selbstliebe sprechen. Wer aber vor Gott etwas verdienen will, der sucht im äußersten Grad sich selbst und dient wie ein Söldner. Die Mystiker machen diese Selbstverleugnung so groß, dass sie auch wollen, dass man in geistlichen Dingen nicht an sich selbst denken und nichts von sich wissen solle.
Zweitens: Die guten Werke können nichts verdienen. Die Mystiker betrachten die vita activa als etwas Unvollkommenes bei denen, die nach Vollkommenheit trachten und wollen sie abschaffen. Sie untersuchen die vermeintlichen Guten Werke, betrachten die Intentionen und Umstände so genau, dass am Ende gar nichts gutes daran bleibt.
Drittens: Zum wahren Christentum gehört eine solche Demut, bei der man auf alles Gute, was an uns ist, nicht achtet, sondern seinen Reichtum, sein Vertrauen und seine Fülle lediglich in Gott sucht. Die Mystiker verlangen eine tiefe Herzensdemut. Man soll niemals Trost aus seinen eigenen Werken schöpfen, sondern Trost allein von Gott erwarten.
aus: Valentin Ernst Löscher, Untersuchung des Nutzens der Theologia Mystica, Dritte Auflage, Leipzig 1741
Ich erlebe grade eine ausgewachsene geistliche Krise, gekoppelt mit der Anlage zur Depression und einer Angststoerung.
Grade da ist man immer wieder versucht, Gott und sich selber beeindrucken zu wollen mit irgendeiner guten Tat, die zaehlt, weil man zB auch durch Arbeitslosigkeit sich so wertlos und nutzlos duenkt. Auch Gott spricht in Seinem Wort davon, dass man arbeiten soll, um zu essen.
Wie wertvoll und tröstend sind doch diese Aussagen:
„Die Mystiker verlangen eine tiefe Herzensdemut. Man soll niemals Trost aus seinen eigenen Werken schöpfen, sondern Trost allein von Gott erwarten.“
Danke für diesen Artikel.
Er hat mich jetzt auferbaut und oeffnet den Blick wieder neu auf Gottes herrliches Wort.
Ebenso der Artikel über die 7 Regeln zum Bibellesen von F. Delitzsch.
Liebe Jutta,
vielen Dank für Ihren Kommentar! Wir freuen uns und fühlen uns geehrt, dass Sie Ihnen die Wahrheit der gnädigen Liebe Gottes aus unseren Beiträgen zukommen konnte. Viel Mut wollen wir Ihnen wünschen! Das Konzept der Arbeitslosigkeit ist ja eine Erscheinung der Moderne: Paulus spricht sich gegen Diebstahl aus, er verordnet nicht jedem Gemeindemitglied in Korinth, wessen Alters oder Geschlechts es auch immer sei, dass es sich selbst versorgen müsse. Arbeit in diesem Sinne ist eine Aufgabe, „Nützlichkeit“, z.B. bei Dickens „Bleak House“, die nichts mit Lohn und Bruttosozialprodukt zu tun hat. Falls es Ihnen in der beschriebenen psychologischen Situation, schwer fallen sollte, solche füllenden und erfüllenden Projekte zu finden, ist es gut möglich, dass die Bearbeitung dieser Situation selbst die derzeit wichtigste Sache ist. Auch wenn das gesellschaftlich selten als „Arbeit“ gesehen wird.
Viel Segen wünscht,
das Team von Lutherisches Lärmen
Johannes 13,35 Daran wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.
Liebes Team von Lutherisches Lärmen.
Danke für diese liebevolle ermutigende Anmerkung zu meinem Kommentar.
Ja, Ihre Artikel tragen zu dieser „Arbeit“ bei, die gesellschaftlich eher selten als Arbeit gesehen wird, aber für mich überlebensnotwendig ist und um in Seiner Gnade zu wachsen.
Wie dankbar bin ich, im Land der Reformation zu leben, dass GOTT mich versorgt durch die Grundsicherung.
Vor allem in einem Alter, welches dem Jugendwahn als uralt vorkommen muss, aber doch noch nicht im Rentenalter.
Einmal habe ich in einem Hausbuch mit Auszügen aus Luthers Werken seine Auslegung des 1. Gebots gelesen.
Daran haben Sie mich auch wieder erinnert in Ihrem Kommentar, so im Vorbeigehen quasi: Alles von IHM erwarten dürfen, ja, sogar müssen.
Danke.
Auch Ihnen Gottes Segen und reichen Segen für Ihre Arbeit hier auf dem Blog, aber auch im alltäglichen Leben.
„….Aber tägliche Buße (95 Thesen) bedeutet eben nicht, täglich neue geistliche Heldentaten zu vollbringen, sondern sich täglich in Gottes Hand zu begeben, sich täglich zu ergeben.
https://lutherischeslaermen.de/2019/06/28/heiligung-aus-lutherischer-sicht
;-))
Jutta
… darf ich noch was fragen, und Sie dürfen mir gerne auch an meine email direkt schreiben, denn meine Frage ist wohl eher nicht von Interesse für diesen Artikel.
Zitat:
„Das Konzept der Arbeitslosigkeit ist ja eine Erscheinung der Moderne: Paulus spricht sich gegen Diebstahl aus, er verordnet nicht jedem Gemeindemitglied in Korinth, wessen Alters oder Geschlechts es auch immer sei, dass es sich selbst versorgen müsse. …“
Wie haben Sie das aus der Bibel erkannt?
Das hat und macht mir manchmal immer noch viel Herzeleid, denn obzwar ich versorgt bin und es ist alles Gottes`… quäle ich mich damit herum, zumal ich a) keiner Gemeinde zugehörig bin, da es für mich hier in meiner Heimatstadt keine gibt, in die ich gehen möchte von der Ausrichtung her, und b) ficht es mich doch immer wieder an, dass Gott unzufrieden mit mir ist, weil alle meine Bemühungen erfolglos sind .. ich denke durchaus, dass das Alter bei Bewerbungen, ich bin 57, mitspielt, und ich halt in der Vergangenheit viele Fehler gemacht habe, nicht gut ausgebildet bin und auch nicht technikaffin.
Gut, dass es diesen Blog gibt … ich glaube daran, dass Gott führt und einem auch dadurch, zusätzlich zu Seinem Wort, Trost spendet.