Streit in der Kirche?? ‚Wenn die Christen streiten, kann doch nichts an ihrer Botschaft sein‘, so könnte man dagegen argumentieren. Versöhnung, Liebe, das sind die Werte um die es gehen muss und die wir erfüllen müssen!
Die Konkordienformel bietet hier eine kurze und hilfreiche Einordnung:
[A]uch noch bei Lebzeiten der heiligen Apostel sind unter denen, so Christen heißen wollten und sich der Lehre Christi berühmten, schreckliche Irrtümer eingefallen, daher etliche durch die Werke des Gesetzes wollten gerecht und selig werden, etliche der Auferstehung der Toten widersprochen (1 Kor. 15), etliche nicht glaubten, dass Christus wahrer ewiger Gott wäre; wider welche sich die heiligen Apostel in ihren Predigten und Schriften heftig [haben] legen müssen; [und sind] solche hochwichtige Irrtümer und ernstliche Streitigkeiten damals auch nicht ohne großes Ärgernis beide der Ungläubigen und Schwachgläubigen ab[ge]gangen.
FC SD, Einführung; https://thebookofconcord.org/deutsch/wiederholung-und-erklarung-etlicher-artikel-augsburgischer-konfession/
Also: Streit ist nichts Neues, Streit gab es von Anfang an in der Kirche und er ist schon in der Bibel dokumentiert. Womit alle Konfessionen, die von sich behaupten, ohne Streit in urchristlicher Idylle leben zu wollen oder zu leben, behaupten, dass sie es besser hinbekommen würden als die Apostel. Und das ist schon ein Anspruch, nämlich einer, dessen Realisierung kein Vorbild in der Kirche und in der Bibel hat.
Wenn es Streit also notwendigerweise gibt, stellen sich (mindestens) zwei Fragen:
(a) soll man den Streit suchen und begrüßen oder
(b) soll man den Streit vermeiden um jeden Preis?
Zur ersten Frage lässt sich mit Paulus antworten: Das sei ferne! Die Notwendigkeit sorgt noch nicht dafür, dass wir uns dem Streit hingeben müssen. Denn der Streit, so hält die Konkordienformel fest, hat seine negativen Auswirkungen: viele der Schwachgläubigen sind damals abgefallen, also von denen, die besonders zu schützen sind in der Kirche („Wer einen von diesen Kleinen…“). Und viele Ungläubige haben nicht zum Glauben gefunden. Das sind unausweichliche Folgen des Streits, die um jeden Preis vermieden werden müssen.
Ist es also besser, den Streit unbedingt zu vermeiden? Auch hier widerspricht die Konkordienformel: es waren damals ‚hochwichtige Irrtümer‘. Es waren keine Kleinigkeiten, bei denen man sich hätte einigen können, dass eben jeder eine andere Meinung hat und gut. Es ging um die Wahrheit des Evangeliums. Und dieses Kriterium gilt auch heute: verletzt mein Kompromiss die Botschaft Christi, weil er sie verwässert, verleugnet oder etwas anderes erzählt? Dann ist der Kompromiss abzulehnen. Dieses Ablehnen sollte nicht leichtfertig geschehen und uns keine Freude machen. Aber es wird notwendig sein.