Alle Jahre wieder gibt es irgendwo ein neues Ökumene-Papier, was mal wieder die große Einigkeit beteuert. Das ist so erwartbar, dass eine Nachricht wie die, dass der Ratsvorsitzende der EKD auf gemeinsames Abendmahl (mit den römischen Katholiken) hofft, eigentlich keinen Neuigkeitswert hat. Die Abgrenzung christlicher Konfessionen voneinander steht mindestens seit den großen Ökumene-Bewegungen, also seit reichlich 100 Jahren, in der Kritik. Und auch davor gab es immer schon die Christen, die sich für eine Überwindung der Konfessionen eingesetzt haben, sei es während der Reformation, sei es zwischen der lateinischen und der griechischen Kirche im 11. Jahrhundert, Und diese Menschen liegen und lagen ja auch nie ganz falsch. Der Wunsch nach Einigkeit der Christen entspricht dem Wesen des Christentums, wenn man so will. Eine Stelle im Neuen Testament, die das ganz gut zum Ausdruck bringt, ist 1. Kor 3:
5 Was ist nun Apollos? Was ist Paulus? Diener sind sie, durch die ihr gläubig geworden seid, und das, wie es der Herr einem jeden gegeben hat: 6 Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen; aber Gott hat das Gedeihen gegeben. 7 So ist nun weder der etwas, der pflanzt, noch der begießt, sondern Gott, der das Gedeihen gibt. 8 Der aber pflanzt und der begießt, sind einer wie der andere. Jeder aber wird seinen Lohn empfangen nach seiner Arbeit. 9 Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. 10 Nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe ich den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. 11 Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.
Kritiker eines „Konfessionalismus“ zitieren diese Stelle gern, um zu zeigen, dass die ganzen einzelnen christlichen Kirchen falsch seien und man sich eben nur „Christ“ nennen dürfe, nicht aber „lutherischer Christ“. Nun, diese Kritik ist ja nicht neu. Lutheraner kennen sie seit ungefähr vierhundertfünzig Jahren. Was ist die Antwort, die sie damals gegeben haben?
Konkret auf diese Bibelstelle lautete die Antwort: Natürlich gilt diese Stelle auch für uns. Eine Abgrenzung und Konfessionalisierung ist dann falsch, wenn alle diese Konfessionen dieselbe Lehre vertreten. Wenn Lutheraner, Calvinisten und Katholiken dasselbe glaubten, dann wäre es falsch, diese Benennungen aufrechtzuerhalten. Aber eben nur dann. Wenn diese Benennungen stattdessen mit dem Ziel abgrenzen, Lehrunterschiede zu benennen, sind sie angemessen. Zumindest, solange die, die sich selbst so benennen (die Lutheraner) glauben, dass ihre Lehre mit der der Schrift übereinstimmt. Und nichts anderes ist ja die lutherische Lehre: Sie begründet sich auf die Schrift und ist überzeugt davon, dass sie eine richtige, eine notwendige Auslegung der Schrift ist. Sobald sie davon nicht mehr überzeugt wäre, sobald sie glauben würde, ihre Lehre sei ein nettes, aber zusätzliches Add-On, wäre die lutherische Kirche nicht mehr daseinsberechtigt. In diesem Sinne sind abgrenzende Bezeichnungen auch in der Bibel gebraucht worden: „Abrahams Kinder“ zum Beispiel. Die, die Paulus damit benennt (Gal 3,7), sind Christen, nichts anderes meint er. Aber er kann sie Abrahams Kinder nennen – weil Abrahams Lehre und die Lehre von Christus übereinstimmen, denn bei beiden sind es nicht die Werke, die zur Gottesbeziehung führen, sondern der Glaube. „Abrahams Kinder“ ist damit eine Abgrenzung von denjenigen, die glauben, im Christentum ginge es zuerst um Moral oder um ein Handeln. Und genau in dieser Weise muss auch die Bezeichnung „Lutheraner“ verstanden werden. Ist das nicht mehr der Fall, ja, dann ist sie nicht mehr angebracht.
Was uns ins Heute bringt und zu den gegenwärtigen Ökumenepapieren. Denn, wenn man den eben genannten Ausführungen folgt, sind Teilkirchen wie lutherisch, katholisch, reformiert usw. nur dann angebracht, wenn es Lehrunterschiede gibt, bei denen die jeweiligen Vertreter davon ausgehen, dass sie notwendig für das Bekenntnis des Glaubens sind. Wenn also ökumenische Gespräche feststellten, dass dem nicht so wäre, dann wäre es nicht mehr angebracht, „versöhnt in Verschiedenheit“ aufzutreten, wie es gerne mal heißt, dann müsste man sich vereinigen. Denn alles andere wäre Sünde. Nun bilden Ökumeneausschüsse meist nicht die Mehrheitsansichten der jeweiligen Kirchen ab. Was ist also der Maßstab? Für die Lutherische Kirche ist die Lehre,wie sie in den Bekenntnisschriften gefasst ist, entscheident. Wenn das, was dort festgehalten ist, von den Kirchen gelehrt wird, von denen man getrennt ist, dann ist eine Trennung nicht mehr legitim. Dabei geht es nicht um Gottesdienstformen oder Bezeichnungen. Es geht um die Lehren. Die Positionen dazu sind in der CA zusammengefasst. Das Ganze ist also überprüfbar. Ihr wichtigster Satz für diese Frage lautet: „Denn dieses ist genug zu wahrer Einigkeit der christlichen Kirche, dass da einträchtiglich nach reinem Verstand das Evangelium gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden. Und ist nicht not zu wahrer Einigkeit der christlichen Kirche, daß allenthalben gleichförmige Zeremonien, von den Kirchen eingesetzt, gehalten werden.“ Heißt: Wer davon ausgeht, dass man gemeinsam Abendmahl feiern kann, der braucht keine abgegrenzte Kirche mehr. Der Gottesdienst kann dann zwar hier und dort anders ablaufen, eine andere Konfession darf damit nicht begründet werden. Ganz anders ist es, wenn man davon ausgeht, dass es Unterschiede beim Verständnis des Abendmahls (und des Evangeliums) gibt. Dann darf man kein gemeinsames Abendmahl herbeireden, so nett das sicher aussähe auf den Zeitungsphotos. Aber nur dann gibt es auch einen Grund, evangelische Kirche sein zu können.