am 22. März 1823 wurde Christoph Ernst Luthardt geboren, heute vor 199 Jahren. Ein guter Anlass, um ihn mal wieder zu Wort kommen zu lassen. Heute über das Wesen der Kirche:
Das Wesen der Kirche
Ich glaube an den heiligen Geist, eine heilige, christliche Kirche.
Wir schließen beide zusammen, die Kirche und den heiligen Geist. Denn wir haben die Kirche vom heiligen Geiste aus, indem dieser eine Stätte gewinnt in der Menschheit und eine Wohnung in den Herzen der Menschen, und damit auch dem Heil Christieine Stätte schafft auf Erden. Darum heißt die Kirche eine Stätte des heiligen Geistes, wie sie Jesus in seinen Abschiedsreden charakterisiert (Joh 14,16.17). Als Stätte des heiligen Geistes aber dient die Kirche der Heilsvermittlung und Heilsaneignung Christi. Denn wie Luther sagt im Großen Katechismus: Der heilige Geist führt uns in seine Gemeinde und legt uns in den Schoß der Kirche. Sie ist also innerlicher Art. Nicht etwas Äußeres macht die Kirche zur Kirche, auch nicht die berechtigste Äußerlichkeit, wie die israelitische seinerzeit war. Nichts, was der Naturordnung angehört; denn das alles gehört nach der Schrift zum „Fleisch“. Aber auch nicht die Mittel der Heilsordnung, also nicht die Gnadenmittel und ihre Verwaltung gründen sie. Denn diese haben die Kirche selbst schon zur Voraussetzung und sind eine Bestätigung der Kirche. Die Kirche ist also nicht etwa, wie sie vielfach angesehen und bezeichnet wird, ihrem Wesen nach und vor allem Gemeinschaft der Gnadenmittel, also etwas Anstaltliches; auch nicht etwa die Gesamtheit der Getauften, so dass die Handlung der Taufe die Kirche zur Kirche machte. Noch weniger ist es die Kirchenordnung oder Verfassug (wie Rom lehrt). Sondern der heilige Geist und seine Einwohnung hat die Jünger zur Kirche gemacht; dann erst haben die Jünger zu predigen und zu taufen begonnen und die schon vorhandene Kirche auszubreiten.
Ist die Kirche also ein Werk Christi und seines Geistes – nach ihrer objektiven Seite -, die vorderste Wirkung des heiligen Geistes aber der Glaube als dasjenige gottgewirkte persönliche Verhalten, durch welches das Heil angeignet wird, so ist die Kirche „die Sammlung der Gläubigen“, die Wirkung des Glaubens aber, wie wir sahen, Rechtfertigung und Wiedergeburt, die Kirche also die Gemeinde der Gerechtfertigten und Wiedergeborenen. Durch beides aber, die Rechtfertigung und Wiedergeburt, werden die Gläubigen der Welt entnommen und Zugehörige Gottes, d.h., wie die Schrift sie nennt: Heilige. In diesem Sinne also werden wir den Satz des apostolischen Symbols „die Gemeinschaft, oder: die Gemeinde der Heiligen“ zu verstehen haben; wenigstens nach evangelischem Verständnis, mag auch vielleicht die ursprüngliche Meinung dabei zunächst an die Märtyrer oder die übrigen Heiligen im Himmel gedacht haben. Der heilige Geist aber ist in den Bildreden Jesu vom Weinstock und den Reben als der innere Zusammenhang zwischen beiden gemeint, der die einzelnen als Gleider des Leibes Christi mit ihm, dem Leibe selbst, vereinigt, und welcher als der Geist Christi eben die Seele dieses Leibes ist. In diesem Sinne wird die Kirche als der Leib Christi, das Verhältnis zwischen ihm und seiner Gemeinde wie das zwischen Geist und Leib, oder auch wegen seiner unvergleichlichen Innigkeit mit dem Verhältnis von Mann und Frau (Eph 5,23ff) verglichen, oder wegen der Einwohnung Christi in seiner Gemeinde diese als das Haus Christi, als der Tempel des heiligen Geistes, als das geistliche Volk Gottes bezeichnet, das vom Geist Gottes gezeugt, durch das gleiche Leben des heiligen Geistes in Glaube, Liebe, Hoffnung mit einander verbunden, die innigste und zugleich realste Gemeinschaft darstellt, die es auf Erden gibt, und welche die Zeiten und ihren Wechsel überwährt und in die Ewigkeit reicht. Das ist die Kirche in ihrem geistlichen Wesen.
aus: Die christliche Glaubenslehre (1906), 496f