Und es kamen zu ihm Blinde und Lahme im Tempel, und er heilte sie. Als aber die Hohenpriester und Schriftgelehrten die Wunder sahen, die er tat, und die Kinder, die im Tempel schrien und sagten: „Hosianna dem Sohn Davids!“, entrüsteten sie sich und sprachen zu ihm: Hörst du auch, was diese sagen? Jesus sprach zu ihnen: Ja! Habt ihr nie gelesen (Psalm 8,3): „Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet“? Und er ließ sie stehen und ging zur Stadt hinaus nach Betanien und blieb dort über Nacht.“ Matthäus 21,16
Zu dieser Stelle konnte ich am Sonntag Kantate eine Predigt hören, die interessante Punkte aufwarf und doch einen zentralen Punkt nicht einbezog. Hier die Nachlese:
Wie oft hört man zum Schreien der Kinder und der Entrüstung der Hohepriester die Lesart der Ungezogenen und/oder Freiheitlichen einerseits und der unverbesserlichen Formalisten und Ordnungshüter, die nicht von ihren toten Formen lassen können, andererseits. Dankbarerweise war das zu Kantate dieses Jahr nicht wirklich der Fall. Und doch ist die Erklärung des „Hosianna“ als Handlung von Kindern, die die Rufe der Menge beim Einzug Jesu in Jerusalem nachplappern, nicht ausreichend.
Denn die Frage der Hohepriester und Schriftgelehrten heißt nicht „Hörst Du den Krach, den Du mit Deiner Austreibung und dem wilden Herumheilen hier auslöst!?“ sondern: „Hörst Du, dass diese Dich den Messias nennen? Das kannst du nicht einfach nur geschehen lassen. Entweder verbiete es ihnen oder gib endlich klar zu, dass Du die Erfüllung der Prophezeiungen, dass Du der Auserwählte bist!“
Und was tut Christus? Er bezieht eine Stelle aus den Psalmen, in der Gott selbst angesprochen wird – Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet – direkt auf sich. „Nein, sie loben mich nicht nur, weil ich der Messias bin. Sie loben mich, weil ich GOTT bin.“ Hier könnte eigentlich eine Szene folgen, wie die, in der das Volk Christus steinigen will und er verlässt sie einfach. Er kehrt, den Hohepriestern, die nicht glauben können, was sie da eben gehört haben, den Rücken und lässt sie stehen. Es zeigt sich also, dass auch die Schlagfertigkeit eines Actionhelden eine Typologie Christi zu sein scheint.
Besonders sollte herausgestrichen werden, dass diese Stelle nicht aus dem für die Ich-Worte – also den Gottheitsanspruch Jesu – typischen Johannesevangelium kommt, sondern aus dem Matthäusevangelium, einem der drei synoptischen, die gerne als die Gott-Menschlichkeit Christi nicht vertretend dargestellt werden.
Was heißt das nun für uns? Einmal mehr, dass Christus keinen Spielraum offenlässt: entweder er war ein (zurechnungsfähiger oder unzurechnungsfähiger) Gotteslästerer, oder er war die inkarnierte zweite Person des dreieinigen Gottes. Und er war nur für uns hier: um uns zu lehren, für uns das Gesetz zu erfüllen und als unschuldiges Opfer an unserer statt zu sterben. Und wiederaufzuerstehen, als Zeichen und Versprechen unserer eigenen Auferstehung. Das, und nur das, ist die Gute Botschaft und der Wesensgrund des Christentums, nur darin bestehen unsere Freude und unsere Hoffnung. Allein der Glaube an diese Fakten rettet, nicht Glaube im luftleeren Raum (den es nicht gibt), nicht Glaube als Prinzip positiven Lebens. In Christus allein ist Leben und Seligkeit. Amen.