Da wir uns gegenwärtig in der Trinitatiseit bewegen, wollen wir uns heute ausführlich mit einer der drei Personen der Trinität beschäftigen: Christus. Dazu sei daran erinnert, dass es heute in der neutestamentlichen Exegese Usus geworden ist, zwischen vorösterlichem Jesus und nachösterlichen Christus zu unterscheiden, und zwar mitunter in der Weise, dass der zweite eine Imagination der Gemeinde sei. Was also von diesem ausgesprochen wird, habe der wirkliche Jesus nie gesagt, geschweige denn gewollt. Vor diesem Hintergund wollen wir nun Artikel 8 der Konkordienformel, Von der Person Christi, betrachten, zumindest den ersten Teil. Die Konkordienformel beschreibt den Streit als einen, der um die wahre Menschlichkeit und wahre Göttlichkeit Jesu:
Nachdem D. Luther wider die Sakramentierer die wahre wesentliche Gegenwärtigkeit des Leibes und Blutes Jeu Christi im Abendmahl aus den Worten der Einsetzung mit beständigem Grund erhalten, is ihm von den Zwinglianern vorgeworfen: wenn der Leib Christi zumal im Himmel und auf Erden im heiligen Abendmahl gegenwärtig sei, so könnte es kein rechter, wahrhaftiger menschlicher Leib sein; denn solche Majestät allein Gottes eigen, deren der Leib Christi nicht fähig sei.
Und die Verfasser erklären nun auf Grundlage von Bibel und altkirchlichen Bekenntnissen ihre „einheIlige Lehre, Glaube und Bekenntnis“, dass nämlich Christus wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich, also zwei Naturen, in einer Person sei:
Wir glauben, lehren und bekennen, obwohl der Sohn Gottes eine sonderliche, unterschiedene, ganze göttliche Person und also wahrer, wesentlicher, vöIliger Gott mit Vater und dem Heiligen Geist von Ewigkeit gewesen [ist], daß er gleichwohl, da die Zeit erfüIlt, auch menschliche Natur in Einigkeit seiner Person angenommen [hat], nicht also, daß nun zwei Personen oder zwei Christus wären, sondern daß Christus Jeus nunmehr in einer Person zumal [zugleich] wahrhaftiger ewiger Gott sei, vom Vater von Ewigkeit geboren, und ein wahrhaftiger Mensch, von der hochgelobten Jungfrau Maria geboren, wie geschrieben steht Röm. 9: „Aus welchen Christus herkommt nach dem Fleisch, der da ist Gott über aIles, gelobet in Ewigkeit.“
Wir glauben, lehren und bekennen, daß nunmehr in derselben einigen, unzertrennten Person Christi zwei unterschiedliche Naturen seien, die göttliche, so von Ewigkeit [ist], und die menschliche, so in der Zeit in Einigkeit der Person des Sohnes Gottes angenommen [ist], welche zwei Naturen nimmermehr in der Person Christi weder getrennt noch miteinander vermischt [sind], oder eine in die andere verwandelt, sondern eine jede in ihrer Natur und Wesen in der Person Christi in aIle Ewigkeit bleibt.
Diese Naturen sind trotz der einen Person Christus unvermischt und ungetrennt, das bedeutet, jede Natur behält die ihr eigenen Eigenschaften.
Wir glauben, lehren und bekennen auch, wie gemeldete beide Naturen in ihrer Natur und Wesen unvermischt und unabgetilgt bleiben, daß also auch eine jede ihre natürlichen, wesentlichen Eigenschaften behalte und in aIle Ewigkeit nicht von sich lege, noch einer Natur wesentliche Eigenschaften der andern Natur wesentliche Eigenschaften nimmermehr [jemals] werden.
Göttliche Natur Jesu also ist:
Also glauben, lehren und bekennen wir, daß allmächtig sein, ewig, unendlich, aIlenthalben zumal natürlich, das ist, nach Eigenschaft der Natur und ihres natürlichen Wesens, für sich selbst gegenwärtig sein, aIles wissen sind wesentliche Eigenschaften der göttlichen Natur, welche der menschlichen Natur wesentliche Eigenschaften in Ewigkeit nimmermehr werden.
Menschlich dagegen:
Hinwiederum ein leiblich Geschöpf oder Kreatur sein, Fleisch und Blut sein, endlich und umschrieben sein, leiden, sterben, auf und ab fahren, von einem Ort zu dem andern sich bewegen, Hunger, Durst, Frost, Hitze leiden und dergleichen, sind Eigenschaften der menschlichen Natur, welche der göttlichen Natur Eigenschaften nimmermehr werden.
Dies gilt auch schon vorösterlich, nämlich direkt mit der Inkarnation, also ab Weihnachten:
Wir glauben, lehren und bekennen auch, daß nunmehr, nach der Menschwerdung, nicht eine jede Natur in Christo für sich selbst also bestehe, daß eine jede eine sonderbare [eine besondere] Person sei oder mache, sondern daß sie also vereinbart seien, daß sie eine einige Person machen, in welcher zugleich persönlich ist und besteht beide die göttliche und die angenommene menschliche Natur, also daß nunmehr, nach der Menschwerdung, zu der ganzen Person Christi gehöre nicht aIlein seine göttliche, sondern auch seine angenommene menschliche Natur, und daß, wie ohne seine Gottheit, also auch ohne seine Menschheit die Person Christi oder Filii Dei incarnati, das ist, des Sohnes Gottes, der Fleisch an sich genommen und Mensch [ge]worden, nicht ganz sei; daher Christus nicht zwei unterschiedene, sondern eine einige Person ist, unangesehen, daß zwei unterschiedliche Naturen in ihrem natürlichen Wesen und Eigenschaften unvermischt an ihm erfunden werden.
Und es endet nicht mit Tod, auferstehung oder Himmelfahrt:
Wir glauben, lehren und bekennen auch, daß die angenommene menschliche Natur in Christo nicht aIlein ihre natürlichen wesentlichen Eigenschaften habe und behalte, sondern daß sie darüber [außerdem] durch die persönliche Vereinigung mit der Gottheit und hernach durch die Verklärung oder Glorifikation erhöht sei zur Rechten der Majestät, Kraft und Gewalt über aIles, was genannt kann werden, nicht aIlein in dieser, sondern auch in künftiger Welt.
Gerade die beliebte Unterscheidung von vor- und nachösterlich teilen die Bekenntnisse also nicht:
Soviel nun diese Majestät belangt, zu welcher Christus nach seiner Menschheit erhoben, hat er solches nicht erst empfangen, als er von den Toten erstanden und gen Himmel gefahren, sondern da er im Mutterleib empfangen und Mensch [ge]worden, und die göttliche und menschliche Natur miteinander persönlich vereinigt worden [sind].
Das hat Konsequenzen für das Geschehen am Kreuz.
Um dieser persönlichen Vereinigung willen, welche ohne solche wahrhaftige Gemeinschaft der Naturen nicht gedacht werden noch sein kann, hat nicht die bloße menschliche Natur für der ganzen Welt Sünde gelitten, deren Eigenschaft ist leiden und sterben, sondern es hat der Sohn Gottes selbst wahrhaftig, doch nach der angenommenen menschlichen Natur, gelitten und ist (Vermöge unsers einfältigen christlichen Glaubens) wahrhaftig gestorben, wiewohl die göttliche Natur weder leiden noch sterben kann; wie D. Luther solches in seinem großen Bekenntnis vom heiligen Abendmahl wider die gotteslästerliche [Bedeutungsverwechslung] Zwinglii (da er gelehrt, daß eine Natur für die andere genommen und verstanden werden soIle), die er als des Teufels Larven bis in Abgrund der HölIe verdammt, ausführlich erklärt hat.
Dieses Verhältnis erklärt aber neben dem Geschehen am Kreuz auch das Geschehen der Geburt Jesu:
Um dieser persönlichen Vereinigung und Gemeinschaft willen der Naturen hat Maria, die hochgelobte Jungfrau, nicht einen purlauteren Menschen, sondern einen solchen Menschen, der wahrhaftig der Sohn Gottes des AIlerhöchsten ist, geboren, wie der Engel zeugt; welcher seine göttliche Majestät auch in Mutterleibe erzeigt [hat], daß er von einer Jungfrau unverletzt ihrer Jungsrauschaft geboren [ist]; darum sie wahrhaftig Gottes Mutter und gleichwohl eine Jungfrau geblieben ist.
Und es erklärt auch das Leben Jesu, seine Besonderheiten, an denen sich seit 200 Jahren die Autoren von „Leben Jesu“-Büchern abarbeiten, ohne seine Eigenarten wirklich erklären zu können:
Daher [vermöge dieser persönlichen Vereinigung] hat er auch aIle seine Wunderwerke gewirkt und solche seine göttliche Majestät nach seinem GefaIlen, wann und wie er gewoIlt, und also nicht erst aIlein nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt, sondern auch im Stand seiner Erniedrigung, geoffenbart; als, auf der Hochzeit in Kana Galilää; item, da er zwölf Jahre alt gewesen, unter den Gelehrten; item im Garten, da er mit einem Worte seine Feinde zu Boden geschlagen; desgleichen im Tode, da er nicht schlecht wie ein anderer Mensch gestorben [ist], sondern mit und in seinem Tode die Sünde, Tod, Teufel, HölIe und ewige Verdammnis überwunden [hat], das menschliche Natur aIlein nicht vermocht hätte, wenn sie nicht mit der göttlichen Natur also persönlich vereinigt [gewesen wäre] und Gemeinschaft gehabt hätte.
Wir wiederhoolen: Der vor- und der nachöstterliche Jesus sind der Christus:
Daher hat auch die menschliche Natur die Erhöhung nach der Auferstehung von den Toten über alle Kreaturen im Himmel und auf Erden, welche nichts anderes ist, denn daß er Knechtsgestalt ganz und gar von sich gelegt und gleichwohl die menschliche Natur nicht abgelegt [hat], sondern in Ewigkeit behält und in die völIige Posseß [Besitzergreifung] und Gebrauch der göttlichen Majestät, nach der angenommenen menschlichen Natur, eingesetzt [ist]; welche Majestät er doch gleich in seiner Empfängnis auch in Mutterleibe gehabt, aber, wie der Apostel zeugt, sich derselben geäußert und, wie D. Luther erklärt, im Stand seiner Erniedrigung heimlichgehalten und nicht aIlezeit, sondern wann er gewoIlt, gebraucht hat.
Die Art der Gemeinschaft der beiden Naturen ist ein Geheimnis, doch ist es nicht ohne Bedeutung, weist es doch uns auf unser Verhältnis zu Christus hin:
Denn weil es wahrhaftig also [ist], daß eine jede Natur ihre wesentlichen Eigenschaften behalte [behält], und dieselben nicht von der Natur abgesondert, in die andere Natur wie Wasser aus einem Gefäß in das andere ausgegossen werden, so könnte auch keine Gemeinschaft der Eigenschaften nicht sein noch bestehen, wenn obgehörte persönliche Vereinigung oder Gemeinschaft der Naturen in der Person Christi nicht wahrhaftig wäre, 33] welches nach dem Artikel von der heiligen Dreifaltigkeit das größte Geheimnis im Himmel und auf Erden ist, wie Paulus sagt: „Kündlich groß ist dies gottselige Geheimnis, daß Gott geoffenbaret ist im Fleisch“, 1 Tim. 3. 34] Denn weil der Apostel Petrus mit klaren Worten bezeugt, daß auch wir, in welchen Christus aIlein aus Gnaden wohnt, um solches hohen Geheimnisses willen in Christo: „teilhaftig werden der göttlichen Natur“, was muß denn das für eine Gemeinschaft der göttlichen Natur sein, davon der Apostel redet, daß: „in Christo aIle FüIle der Gottheit leibhaftig wohne“, also daß Gott und Mensch eine Person ist.
Hier wollen wir für heute schließen, und besonders nocheinmal auf den letzten Absatz hinweisen: Lässt sich doch an dieser Erklärung der Konkordienformel besonders gut erkennen, dass die Lehre von den zwei Naturen Christi durchaus Bedeutung für uns selbst hat. Sie ist also keine abgehobene, dogmatistische Lehre, die mit dem Leben nicht in Verbindung steht. Neben allem, was sie uns über die Besonderheit Christi deutlich macht und damit uns über sein Werk für uns erklärt, lässt sie uns auch erahnen, in welchem Verhältnis wir zu ihm stehen, und das durch die wiederholend-biblische Beschreibung von Jesus Christus, der also auch in der dogmatischen Erklärung das Zentrum bleibt und uns deutlich macht: Diese Lehre ist essentiell, fragt man danach, was Christus für uns getan hat und auch, wie wir zu ihm stehen. In der Trinitatiszeit erinnert uns FC VIII also am Beispiel der Person Christi daran, welch enges Verhältnis wir im Glauben zu den vielleicht manchmal so abstrakt wirkenden Personen der Trinität haben.