Nikolaus Hunnius war ein begabter lutherischer Theologe des siebzehnten Jahrhunderts. Mit neunzehn Jahren schon Magister, verbrachte er seine erste Zeit während und nach dem Studium in Wittenberg bis zu seiner Berufung als Superintendent nach Lübeck. Dort verfasste er auch seine einflussreichsten Bücher, die – neben anderen – für lutherische Theologie lange Zeit maßgebend waren. An ihrem Inhalt liegt es nicht, dass sie es heute nicht mehr sind, und so wollen wir ihn aus seiner „Glaubenslehre“ (Ausgabe Nördlingen 1850, S. 190) zu Wort kommen lassen:
689. Das himmlische, welches hier gegeben wird, ist der Leib unsers Herrn Jesu Christi, unter und mit dem Brot, und sein Blut, unter und mit dem Wein, uns zu essen und zu trinken dargereicht. Dass sich dieses wahrhaftig also verhalte, wird aus folgenden Gründen dargetan:
690. 1) weil der Herr Christus in der ersten Stiftung seinen Leib und Blut den Jüngern zu essen und zu trinken mit diesen Worten befohlen hat: „nehmet, esset, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; trinket alle daraus, das ist mein Blut des neuen Testaments, das für euch vergossen wird“, Matth. 26,26.28. Mark. 14,22.24. Luk. 22,19.20. 1 Kor. 11,24.25. Aus welchem leichtlich zu ermessen ist, dass Christus, wie er seinen Jüngern hat das Brot gegeben, ihnen auch seinen Leib dargereicht habe; wie er den Kelch dargeboten, so habe er auch sein Blut zugleich gegeben. Jedoch um besserer Richtigkeit willen kann man also schließen: was Christus in dem Darreichen des Brots ausgesprochen und zu essen befohlen hat, das ist gewisslich von ihm gegeben worden. Ursach: wie man im gemeinen Umgang dasjenige gibt, welches man in Darreichung von etwas anderem besonders nennt, also muss Christus hier auch getan haben. Reicht dir jemand einen Becher und spricht: trink, das ist Wein, derselbe reicht ja den Wein mit und in dem Becher dar. Wenn dir der Arzt eine Büchse gibt mit diesen Worten: nimm hin, das ist ein gesunder Trank, eine nützliche Salbe etc., so muss er ja mit und in derselben Büchse dir auch den Trank und die Salbe zustellen. Wer dir einen Beutel reicht und spricht: nimm hin, das sind hundert Thaler, der gibt dir die hundert Thaler zugleich mit und in dem Beutel. Wenn dir der Bauer einen Sack überantwortet, sprechend: das ist Weizen, so muss er dir mit und in dem Sack den Weizen zustellen. Und also ist fast nichts allgemeineres im Weltlauf und allgemeinere Art zu reden, denn dieses.
Aus der Vielzahl der exegetischen (das heißt also mit der Auslegung, dem Bestimmen der Inhalte von Texten befassten) Argumenten bezüglich des ursprünglichen (und eben auch des lutherischen) Verständnisses des Abendmahls gibt uns Nikolaus Hunnius ein vergleichsweise simples. Er weist auf die allgemein übliche Redensweise hin, die sich auf den Inhalt eines Gefäßes bezieht, ohne das Gefäß selbst explizit zu nennen.
So einfach und allgemeinverständlich ist es, das man sich wundern möchte, warum es so viele Diskussionen darum gab. Die Antwort lautet natürlich, dass dieses Versprechen, diese Zusage Christi unseren Sinnen und somit unserem Verstand widersprechen: Wir schmecken Wein, wir sehen Wein, wir schmecken und sehen Brot. Und doch schmecken und sehen wir zugleich „wie freundlich der Herr ist, wohl dem, der auf ihn trauet.“ Die Tragweite dieser Zusage können wir nicht ernst genug bedenken. Hier brennt die tatsächliche, leibliche Gegenwart Gottes. Diese Handlung, dieses Austeilen und Empfangen ist die Gegenwart des Lebendigen, des wahren Gottes. Erstarren wir vor Ehrfurcht, ja vor bloßer Furcht? Auch das sollte Platz haben und sollte unser Denken und Handeln mit Ernst erfüllen, wenn es darum geht, wie wir, besonders als Pfarrer, mit diesem Heiligtum umgehen, wen wir zu diesem Mahl guten Gewissens zulassen dürfen und was wir öffentlich lehren und innerlich glauben, was dieses Mahl bedeutet.