Das Kirche-sein der EKD – Bischof Rentzing und die Väter

Schon vor einer Weile haben wir uns über das Selbstverständnis der EKD als Kirche geäußert und tun es gern wieder. Derzeit macht der Antrag auf Änderung der Grundordnung, um dieses Kirchesein festzuschreiben, noch immer seine Runde durch die Synoden der Gliedkirchen. Interessanter Fall ist dabei Sachsen, wo durch Bischof Rentzing in seinem Bericht hierzu, auch dezidiert als Oberhaupt einer lutherischen Landeskirche, Stellung genommen wurde. Allem Respekt für Bischof Rentzing unbenommen, muss hier kritisch gesagt werden, dass seine Ausführung, die EKD wäre de facto schon Kirche, da man in ihr untereinander gemeinsam das Abendmahl feiere, weder einem lutherischen Kirchen- noch Abendmahlsverständnis entspricht. Wir haben uns bei der Auswahl der Väter, die wir dazu zu Wort kommen lassen wollen, auf das 19. Jahrhundert beschränkt, empfehlen aber dem, der zweifelt, ob ihre Aussagen nicht zeitlich spezifisch sind, das sehr schwer zu bekommende „Kirchengemeinschaft und Abendmahlsgemeinschaft, kirchengeschichtlich gesehen“ von Prof. Martin Wittenberg, Flacius Verlag. Oder das ungemein leichter verfügbare „Die kirchlichen Normen berechtigter Abendmahlsgemeinschaft„, Prof. von Zezschwitz, hier im Link bei Google Books.

Kirche ist eine Gemeinschaft des Bekennens, also eine inhaltliche Gemeinschaft. Auch wenn Leuenberg gern sagt, diese inhaltliche Gemeinschaft wäre hergestellt, ist doch die Tiefe jener Gemeinschaft mit der Aussage zu vergleichen, Fußball und Basketball wären nur verschiedene Bezeichnungen für dasselbe Spiel, da stets ein Ball in einem Netz landen solle. Aber lassen wir andere zu Wort kommen:

Grundordnungsänderung
Seit langem schon wird in den evangelischen Landeskirchen darüber debattiert, inwieweit es sich bei der EKD um eine Kirche handelt. Vor allem von Seiten der lutherischen Kirchen ist dagegen lange die Unschärfe oder gar das gänzliche Fehlen eines gemeinsamen Bekenntnisses in Stellung gebracht worden. Alle Bemühungen, die Confessio Augustana zum gemeinsamen Bekenntnis zu deklarieren, sind schnell gescheitert. Schließlich wurden alle Ansprüche darauf reduziert, vom Gedanken der Leuenberger Konkordie her die Kirchlichkeit der EKD als Abendmahls- und Kanzelgemeinschaft bekenntnisverschiedener und organisatorisch getrennter Kirchen zu beschreiben. Obwohl manche unierten Landeskirchen weit über diese Gedankenführung hinausgehen wollten, ermöglicht dies der lutherischen Seite, am eigenen Verständnis von Bekenntnis, Kirchenordnung und Kirche-sein festzuhalten. Als Gemeinschaft ihrer (bekenntnisverschiedenen und organisatorisch getrennten) Gliedkirchen ist die EKD Kirche. Am Ende jahrelanger Diskussionen stand diese aufs Äußerste reduzierte Fassung der Grundordnungsänderung, für die ich mich in besonderer Weise stark gemacht habe. Mehr hätte ich nicht zustimmen können. Diese Fassung aber trage ich ausdrücklich mit. Sie benennt, was schon jetzt Realität ist. Da, wo die Gemeinschaft der Kirchen in der EKD zusammentritt und das Abendmahl miteinander gefeiert wird, sind wir gemeinsam Kirche. Der Bekenntnisstand jeder einzelnen Gliedkirche bleibt davon unberührt. Organisationspraktische Ableitungen sind daraus ausdrücklich nicht zu ziehen. Wir wollen und wir werden weiterhin lutherische Kirche bleiben, wenn wir diese Grundordnungsänderung beschließen. Wir nehmen damit eine Wirklichkeit wahr, die uns durchaus herausfordert, der wir uns aber stellen und an der wir konstruktiv und kritisch mitwirken.

Bischof Carsen Rentzing, Bericht des Landesbischofs, Herbstsynode der sächsischen Landeskirche 2018
https://engagiert.evlks.de/fileadmin/userfiles/EVLKS_interessiert/B._Wir/3._Leitung/Landesbischof/VL_63_Bericht_LB_2018_gesamt.pdf

Die Unterschiede des Glaubens und Bekenntnisses der Kirchen haben nicht bloß natürliche sondern sittliche Gründe. Sie sind – wir werden nicht anders sagen können – der Ausdruck für das verschiedene Maß des Gehorsams gegen das Wort der Wahrheit. Nur in dem Maße aber als die Kirche dies Wort der Wahrheit rein erhält in ihrer Lehre, ist sie geschickt für den Beruf, Verkündigerin der seligmachenden Wahrheit in der Welt zu sein. Denn nur in diesem Maße hat ihre Lehre die Wahrheit von Jesu Christo zum Inhalt. Darum hat denn auch unsre Kirche von Anfang an, um ihres Berufes an den Seelen willen den sie zu erfüllen hat, eifersüchtig auf Reinheit der Lehre gehalten und die Einheit in dieser Lehre zur Grundlage ihres Bestandes und zur unumgänglichen Bedingung der Gemeinschaft gemacht, und durch allen herben Schmerz über die Trennung sich nicht davon abbringen lassen, unverrückt auf dieser Bedingung zu bestehen. Alle Ärgernisse – mit diesem Gedanken schließt das Augsburger Bekenntnis und die Apologie wiederholt ihn – alle Ärgernisse welche aus der Trennung entstehen, wiegen nicht so schwer als die Verleugnung der seligmachenden Wahrheit. Dies blieb seitdem feststehender Grundsatz in unsern Kirchen. […]
Nicht die Gesetzgebung ist die Grundlage unsrer Kirche, das Band ihrer Einheit, sondern das Bekenntnis und seine Lehre. Wenn unsre Väter die Kirche sowohl die Gemeinschaft der Gläubigen als auch die Gemeinschaft der Berufenen nennen, so sagen sie mit beidem, daß die Lehre das Band der Kirche sei. Denn das lehrende Wort ist es, welches den Glauben wirkt und welches die Sünder zu Christus ruft. […]
Es ist die Gemeinschaft der Lehre, welche die lutherische Kirche des 16. Jahrhunderts und die des 19. zur Einen lutherischen Kirche macht. Jene Gemeinschaft aufgeben heißt die Gemeinschaft der lutherischen Kirche aufgeben.

Die Bedeutung der Lehreinheit für die Lutherische Kirche in „Gesammelte Vorträge“, Leipzig 1876, S. 180 -185

1 Zur wahren Einheit der Kirche genügend, aber auch unerlässlich ist Übereinstimmung in der rechten Lehre und Sakramentsverwaltung, die wir in den Bekenntnissen der lutherischen Kirche, dargelegt finden.
2 Auch dem Kirchenregimente*, als einem wichtigen Gliede der Kirche, gilt die Forderung, in der rechten Lehre und Sacramentsverwaltung übereinzustimmen mit der Kirche, die es regieren soll.
3 Daher ist unzulässig, Kirchen durch ein gemeinsames Kirchenregiment ohne Übereinstimmung in der Lehre und Sacramentsverwaltung zu vereinigen. Weshalb auch
4 einem Landesherrn nicht das Recht beigemessen werden darf, ihm zufallende Kirchengebiete ohne Rücksicht auf ihre Lehre und Sacramentsverwaltung in das Ganze einer Landeskirche so aufzulösen, dass solche Kirchen darin nur als einzelne Gemeinden mit ihrer privaten Lehre und Sacramentsverwaltung fortbeständen.

*der Kirchenleitung/dem Landeskirchenamt
Theodor Kliefoth, „Was fordert Artikel VII der AC hinsichtlich des Kirchenregiments der lutherischen Kirche?“ In „Die Erste allgemeine Ev. Luth Konferenz“, Hannover 1868, S.60.

Im Gegenteil ich will unter der herzlichen Bitte, dies Verhältnis ungestört, unangetastet zu belassen, lieber noch einmal möglichst klar und deutlich sagen, wie ich mir die „konfessionellsakramentliche“ Sonderstellung lutherischer Pfarrer und Gemeinden in Bayern denke:
1) ich werde nimmermehr einem Reformierten oder Unierten das heilige Abendmahl reichen.
2) Ich werde es keinem reichen, der in reformierter oder unierter Abendmahlsgemeinschaft gestanden, ohne ihn vorher belehrt, vermahnt, zur Erkenntnis und zum Bekenntnis seines Irrtums und seiner Sünde gebracht zu haben.
3) Ich kann die Abendmahlsgemeinschaft mit Fremdgläubigen, wie und wo sie bestehe, nicht als Notstand, sondern ich muß sie als Sünde anerkennen, gegen sie zeugen, vor ihr warnen.
4) Ich kann darum auch keinen Christen oder Pfarrer für wahrhaft lutherisch erkennen, der solche Abendmahlsgemeinschaft hält oder in Schutz nimmt, ich muß ihn davon abmahnen, so viel ich kann.
5) Ich muß daher jeden lutherischen Christen, welcher seinem Pfarrer wegen gemischter Abendmahlsgemeinschaft das Beichtverhältnis gekündigt hat, und mir davon und von Einhaltung der im Amtshandbuch vorgeschriebenen Form Beweis und Nachweis bringt, an meinem Altar aufnehmen und in seiner Entschiedenheit stärken, wenn er zu mir kommt, Annahme begehrt und sonst gutes Zeugnis hat.
6) Endlich muß ich in und gegenüber allen Kreisen, denen ich angehöre, die Wahrheit bezeugen, auch Synoden und kirchliche Behörden, bis ich Erhörung finde, bitten und anflehen, dem sündlichen Mißstande ein baldiges Ende zu setzen.
7) Ebenso erkenne ich es für meine unerläßliche Pflicht, gegen alle anderen konfessionellen Übelstände und Mängel zu zeugen, zu beten und zu bitten, bis der Herr erhört und Besserung kommt.

Wilhelm Löhe, Erklärung an das bayrische Oberkonsistorium (Landeskirchenamt) 1851, aus Wilhelm Löhes Leben, Band II, Nürnberg 1874, S. 402

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