So sind nun rechte Sakramente die Taufe und das Nachtmahl des Herrn, die Absolution.
Apologie der CA, Artikel 13, Von den Sakramenten und ihrem rechten Gebrauch
In jedem guten Mafiafilm geht der (italienische) Gangster beim katholischen Priester im Beichtstuhl zur Beichte, und dann folgt entweder ein psychotherapeutisches Gespräch, ein weiser Lebensrat oder der Priester hört schweigend zu. Entscheidend ist jedenfalls die Handlung des (guten) Verbrechers, der sich seine Lasten von der Seele redet. Diese Szenen sind so verbreitet, dass sie die Wahrnehmung der Funktion der Beichte bestimmen: Die Hauptsache ist die Herzenserleichterung durch das Reden dessen, der die Beichte aufsucht, garniert ist das manchmal mit einem lebenserfahrenen Geistlichen. Nun mag es ja im römisch-katholischen Bereich stimmen, dass die Beichte als Sakrament gezählt wird, auch wenn die typischen Filmszenen sicher nicht immer der Lehre und Praxis dieser Kirche entsprechen. In der lutherischen Kirche dagegen ist die Beichte kein Sakrament. Aber halt, sie fällt nicht einfach weg: Die Confessio Augustana erklärt im elften Abschnitt:
Von der Beichte wird gelehrt, dass man in der Kirche die Privatabsolution erhalten und nicht fallen lassen soll; auch wenn es in der Beichte nicht notwendig ist, alle Missetat und Sünde zu erzählen, weil doch solches nicht möglich ist, vgl. Ps. 19,13: „Wer kennet die Missetat?“.
Die Apologie der Confessio Augustana, eine der lutherischen Bekenntnisschriften, hält die Absolution, wie oben zu lesen, sogar explizit als Sakrament fest. Damit sind schon zwei Dinge angesprochen:
a) Die Beichte nimmt im geistlichen Leben einen wichtigen Platz ein.
b) Die Hauptsache ist nicht das Reden des Gläubigen. Denn sowohl CA als auch Apologie legen das Gewicht nicht auf das Beichten der Verfehlungen, sie betonen ja, dass keiner alle Fehler aufzählen kann. Stattdessen konzentrieren sie sich auf das, was der Gläubige nicht tut und nicht tun kann: Die Absolution, oder wie die Apologie formuliert: „Denn die Beichte behalten wir auch um der Absolution willen, welche Gottes Wort ist, wodurch wir von Sünden losgesprochen werden.“ Sie ist nach der Apologie das Sakrament, und nach CA XI das, worum es geht: Private (persönliche) Absolution. Wie bei Taufe, Abendmahl und Predigt also steht nicht die Leistung des Gläubigen im Mittelpunkt, sondern dass er zulässt, dass er empfängt. Dann, das ist das Versprechen, wird Gott erfahrbar, wird seine Nähe spürbar. Folgerichtig gibt es auch keinen Auftrag des Beichthörers, nach der Beichte etwa zehnmal das Vaterunser zu beten oder ähnliches. Denn das wäre schon wieder der Versuch, etwas für die Vergebung der Sünden zu leisten, was doch nicht möglich ist. Denn die Absolution ist „eine Stimme des Evangelii, wodurch wir Trost empfangen, und nicht ein Urteil oder Gesetz“, wie die Apologie betont.
Aber wie geht Beichte und Absolution jetzt genau? Glücklicherweise ist im Kleinen Katechismus kurz und knapp formuliert, worauf es ankommt und ein Vorschlag gemacht, wie gebeichtet werden kann. Deshalb dieser zum Abschluss:
„Die Beichte besteht aus zwei Stücken: das erste, dass man seine Sünden bekenne, das zweite, dass man die Absolution oder Vergebung vom Beichtvater empfange als von Gott selbst, und ja nicht daran zweifle, sondern fest glaube, daß die Sünden dadurch vergeben sind vor Gott im Himmel.
Welche Sünden soll man beichten?
Vor Gott soll man sich aller Sünden schuldig geben, auch die wir nicht erkennen, wie wir im Vaterunser tun; aber vor dem Beichtvater sollen wir allein die Sünden bekennen, die wir wissen und fühlen im Herzen.
Welche sind das?
Da sieh deinen Stand an nach den Zehn Geboten, ob du Vater, Mutter, Sohn, Tochter bist; in welchem Beruf und Dienst du stehst; ob du ungehorsam, untreu oder faul, zornig, zuchtlos oder streitsüchtig gewesen bist; ob du jemand Leid angetan hast mit Worten oder Werken; ob du etwas gestohlen, versäumt oder Schaden getan hast.
Wenn aber jemand nicht mit solchen oder größeren Sündern beschwert ist, der soll sich nicht sorgen und weitere Sünden suchen und damit aus der Beichte eine Marter machen, sondern erzähle ein oder zwei Sünden, die er weiß.
Wie bekennst du deine Sünden vor dem Beichtvater?
So kannst du zum Beichtvater sprechen: „Ich bitte, meine Beichte zu hören und mir die Vergebung zuzusprechen um Gottes willen.“ Hierauf bekenne dich vor Gott aller Sünden schuldig und sprich vor dem Beichtvater aus, was als besondere Sünde und Schuld auf dir liegt. Deine Beichte kannst du schließen: Das ist mir alles leid. Ich bitte um Gnade. Ich will mich bessern
Wie geschieht die Lossprechung?
Der Beichtvater spricht: ,Gott sei dir gnädig und stärke deinen Glauben. Glaubst du auch, daß die Vergebung, die ich dir zuspreche, Gottes Vergebung ist?“ Antwort: „Ja, ich glaube es.“ Darauf spricht er: „Wie du glaubst, so geschehe dir. Und ich, auf Befehl unseres Herrn Jesus Christus, vergebe dir deine Sünden im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Gehe hin im Frieden!“
Welcher aber im Gewissen sehr beschwert oder betrübt und angefochten sind, die wird ein Beichtvater wohl mit mehr Worten der Heiligen Schrift zu trösten wissen und zum Glauben reizen. Dies soll nur eine Weise der Beichte sein.„
Wie verhält es sich mit Art. 25 CA, in dem festgestellt wird, „daß die Beicht nicht durch die Schrift geboten, sondern durch die Kirch eingesetzt sei. Doch wird durch die Prediger diese Teils fleißig gelehret, daß die Beicht von wegen der Absolution, welches das Hauptstück und das Fürnehmste darin ist, zu Trost der erschrockenen Gewißen, darzu um etlicher anderer Ursachen willen zu erhalten ist.“
Die Beichte soll also ein vorzügliches kirchliches Mittel der Seelsorge und des Trostes sein.
In der Apologie Art. 13 heißt es: „Denn Zeremonien und andere äußerliche Ding, von Menschen eingesetzt, sein auf diese Weise nicht Sakrament… So sind nu rechte Sakrament die Taufe, und das Nachtmahl des Herrn, die Absolution“.
Für mich enthalten die Feststellungen eine gewisse Widersprüchlichkeit. Oder sind die damit gelöst, dass nicht die kirchlich eingesetzte Institution der Beichte, sondern bewusst nur die Absolution als Sakrament aufgeführt wird, denn die kann sich ja auf Joh. 20, 23 beziehen.
Auch nicht außer acht gelassen werden darf, dass die Bekenntnisaussagen allein die Einzelbeichte im Blick haben.
Fragen wir doch die FC (XI): „Darum behalten wir auch, wie die Augsburgische Konfession articulo 11. sagt, die Privatabsolution und lehren, daß es Gottes Gebot sei, daß wir solcher Absolution glauben und für gewiß halten sollen, daß wir so wahrhaftig, wenn wir dem Wort der Absolution glauben, Gott versöhnt werden, als hätten wir eine Stimme vom Himmel gehört, wie die Apologia diesen Artikel erklärt; welcher Trost uns ganz und gar genommen [würde], wenn wir nicht aus dem Beruf, der durchs Wort und durch die Sakramente geschieht, von Gottes willen gegen uns schließen sollten.“ Damit dürften Ihre Fragen beantwortet sein – von Privatabsolution war schon im Ausgangspost die Rede, verstehe Ihren Einwand daher nicht.