Den Finger Gottes fühlen – was der Heilige Geist tut und wie man ihn bekommt

Der lutherischen Kirche – und jeder Liturgie – wird oft der Heilige Geist abgesprochen. Von Gott, dem Vater, wisse man, aber der Geist „wehe“ hier nicht! Wie auch, wenn hier alles so verkrustet und abstrakt ist, so tot! Doch haben auch traditionelle Kirchen, auch die lutherische Kirche, sehr wohl eine voll entwickelte Pneumatologie, also eine Lehre vom Heiligen Geist. Tatsächlich geht ohne den Heiligen Geist rein gar nichts, wenn man die alten Lehrer des Luthertums befragt. Nur … mit der Pneumatologie der Pfingstler oder des Charismatismus hat das ganz und gar nichts zu tun. Was sagen nun diese Väter dazu? Warum brauchen wir ihn und wie erlangen wir ihn, den Heiligen Geist?  Wir haben hierzu schon einen Podcast gemacht, Vincent Schmuck, im 17. Jh. Leipziger Superintendent und Professor der Theologie, ist aber um einiges eleganter und weniger verschwurbelt:

Wie kann man den Heiligen Geist haben und erlangen?

„Man kann ihn nicht kaufen und nicht erarbeiten, sondern er muss selbst zu uns kommen, aus Gnade. Er hat sich aber an das Wort und die Sakramente gebunden. In diesen soll man ihn empfangen. Er ist uns allen in der Taufe gegeben worden und wird noch immer in der Taufe auf alle Kinder ausgegossen. Er bewirkt den Glauben und die Wiedergeburt in ihnen kraft des Wortes, das bei der Taufe gesprochen wird. Damit man ihn aber nicht verliert, wie bei vielen geschieht, muss man sich fleißig zu Gottes Wort halten, gern lesen, gern die Predigt hören, muss sich der Heiligen Taufe des Gnadenbundes immer wieder erinnern und das Abendmahl oft gebrauchen. Man muss auch fleißig beten und muss sich davor hüten, dass man gegen das Gewissen sündigt. Wenn man alle diese Mittel gebraucht, verliert sich der Heilige Geist nicht, sondern kommt auch dann, wenn jemand in Sünden fällt (wie es bei David war), wieder hervor. Er hat dann seine Wohnung im Menschen, wo sonst, wenn der Heilige Geist nicht ist, der Teufel wohnt.“

Was tut der Heilige Geist?

„Erstens führt er selbst die Predigt der Heiligen Schrift, denn die heiligen Menschen Gottes haben geredet, getrieben durch den Heiligen Geist (2. Petr 1,21). Daher wissen wir, wenn wir in der Bibel lesen oder eine Predigt nach derselben hören, dass wir die Stimme Gottes des Heiligen Geistes haben.

Zweitens gibt er auch ein Verständnis des Wortes der Schrift und leitet uns in alle Wahrheit (Joh 16). Denn der natürliche Mensch kann aus eigener Kraft nichts davon verstehen.

Drittens ist er der einzig wahre Meister der Wiedergeburt und des Glaubens in uns (Joh 3/ Tit 3). Wer Christus einen Herrn nennen und ihn dafür halten kann, hat dieses Vermögen vom Heiligen Geist bekommen (1. Kor 12).

Viertens lehrt er uns, in solchem Glauben andächtig und mit aller Zuversicht zu beten und mit Gott so zu reden wie mit einem lieben Vater, obwohl wir doch sonst zu Gott nicht hintreten könnten. Denn wo man richtig beten will, muss der Heilige Geist dabei sein (Joh 4/ Röm 8/ Sach 12).

Fünftens zündet er das große Vertrauen in uns an und gibt unserem Geist Zeugnis  davon, dass wir Kinder Gottes sind. Er tut das gegen allen Zweifel des anklagenden Gewissens.

Sechstens macht er großmütig und erweckt die Herzen, dass wir Gott gehorchen und an ihm in aller Trübsal und Verfolgung anhängen, sodass wir um seiner Ehre willen auch wenn es nötig das Leben gerne lassen.

Siebentens entfacht er die Liebe gegenüber Gott und dem Nächsten und erhält die christliche Kirche über alle Zeit.

Achtens gibt er allen Christen Kraft, Weisheit und Verstand, einem jeden in seiner Berufung und seiner Arbeit. Das geschieht, damit wir glücklich handeln, Widerwärtigkeit ertragen, rechte und falsche Lehre unterscheiden können usw.

Neuntens tröstet er in allen Anfechtungen der Sünde und des Todes. Denn sonst haben die Menschen keinen Trost dagegen. Er spricht dem Herzen durch das Wort zu und richtet es auf, dass man den Finger Gottes fühlt.

Zehntens teilt er ohne unterlass allerlei Gaben in der Kirche aus und erhält sie, die zum Amt des Neuen Testaments nötig sind. Er erhält die Sprachen und Freien Künste, gibt tüchtige Prediger, geschickte Lehrer und Professoren, heilsame Regierungen. Er hilft an allen Orten, dass die Arbeit eines jeden der Erbauung der Kirche Christi und der Ehre Gottes diene.

Elftens führt er die gläubigen Kinder Gottes und behütet die, die ihm gehorchen, vor Sünde und erhält sie in ihren Tugenden (Gal 5).

Zwölftens richtet er die Gefallenen auf, erleuchtet sie zur Bekehrung und versöhnt sie mit Gott. Das tut er durch das Wort des Gesetzes und der Absolution, wie David betet (Ps 51): Schaffe in mir Gott ein reines Herz und gib mir einen neuen, gewissen Geist.

Zuletzt erhält er die Außerwählten bis ans Ende im Glauben, tröstet uns und steht uns in allen Todesnöten bei und vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen. Er führt und leitet uns aus diesem betrübten Jammertal in das ewige Leben.“

aus: Vincentius Schmuck, Sechs Pfingstpredigten, Leipzig 1601.

Bildquelle: By Unknown – The story of the Bible from Genesis to Revelation, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=59795280

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