„Unser Handeln zählt!“ Lieben und geliebt werden in die lutherische Reihenfolge gebracht.

Was ist eigentlich das Entscheidende am christlichen Glauben? Ist es wirklich wichtig, dass man irgendwelche Dogmen anerkennt, an Dinge wie die Auferstehung glaubt? Ist es nicht viel wichtiger, dass Jesus ein guter Mensch war? Und dass auch wir gute Menschen sein sollen? Hauptsache, wir lieben einander. Das ist doch das Eigentliche! Sagt das nicht auch die Bibel?
Seid niemandem etwas schuldig, außer dass ihr euch untereinander liebt; denn wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllt.
Denn was da gesagt ist (2.Mose 20,13-17): »Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht begehren«, und was da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort zusammengefasst (3.Mose 19,18): »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.«
10 Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung.
11 Und das tut, weil ihr die Zeit erkennt, nämlich dass die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf, denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden.
12 Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen. So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.
Römer 13
Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung. Im oben angerissenen Denken, welches gern als diakonisches Handeln bezeichnet wird, ist das Wort Gesetz Chiffre für Glaubensinhalte, und das Wort Liebe Chiffre für das Tun. Dann erschöpft sich Christentum im Fordern von Gerechtigkeit und Freiheit für alle, was meint: Allen soll es wirtschaftlich und sozial gut gehen. So könnte die Frage des Johannes verstanden werden: „Wer aber hat vollkommenere Liebe, als der, der sein Leben für die Seinen gibt?“ (Joh 15,13).
Aber es geht hier um mehr als um das Handeln. Die Frage verweist in ihrem Kontext auf Jesus. Das bedeutet aber, dass Johannes davon ausgeht: Viel wichtiger noch als sein Handeln auf dieser Erde war das Entscheidende an Jesus sein Tod. Warum? Weil es ein Tod für uns war. Nicht unser Handeln zählt, sondern wie für uns gehandelt wurde. Nicht, wie sehr wir lieben, sondern wie sehr wir geliebt werden, ist ausschlaggebend. Wir bleiben passiv. Denn das Besondere an der Frage des Johannes: Die vollkommene Liebe hat der, der sein Leben für die Seinen gibt. Für uns jedoch gilt:
„Christus ist schon zu der Zeit, als wir noch schwach waren, für uns Gottlose gestorben. Nun stirbt kaum jemand um eines Gerechten willen; um des Guten willen wagt er vielleicht sein Leben. Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“
(Röm 5, 6-8)

Das bedeutet: Schon vor all unserem Handeln ist uns die Liebe Gottes gewiss. Wir können auf keine, auch nicht die stümperhafteste Art und Weise etwas erreichen, indem wir Hand anlegen. Die Liebe Gottes zu uns hat das Gesetz schon erfüllt.

Heißt das jetzt, dass wir die Hände in den Schoß legen sollen, nichts Gutes mehr tun sollen, weil doch völlig egal ist, was wir tun und wie wir leben? Ist das fordern sozialer Gerechtigkeit falsch?

Antwort gibt uns ein Abschnitt aus der Konkordienformel:

Zu gründlicher Erklärung […] ist unsere Lehre, Glaube und Bekenntnis:

1. Das gute Werke dem wahrhaftigen Glauben, wenn derselbe nicht ein toter, sondern ein lebendiger Glaube ist, gewißlich und ungezweifelt folgen als Früchte eines guten Baumes.

2. Wir glauben, lehren und bekennen auch, daß die guten Werke gleich so wohl, wenn von der Seligkeit gefragt wird, als im Artikel der Rechtfertigung vor Gott gänzlich ausgeschlossen werden sollen, wie der Apostel mit klaren Worten bezeugt, da er also geschrieben: „Nach welcher Weise auch David sagt, daß die Seligkeit sei allein des Menschen, welchem Gott zurechnet die Gerechtigkeit ohne Zutun der Werke, da er spricht: Selig sind die, welchen ihre Ungerechtigkeit nicht zugerechnet wird“, Röm. 4; und abermals: „Aus Gnaden seid ihr selig worden; Gottes Gabe ist es, nicht aus den Werken, auf daß sich nicht jemand rühme“, Eph. 2.

3. Wir glauben, lehren und bekennen auch, das alle Menschen, sonderlich aber die durch den Heiligen Geist wiedergeboren und erneuert [sind], schuldig seien, gute Werke zu tun.

Formula Concordia, Epitome IV, Von guten Werken.

 

Christsein erschöpft sich nicht im Tun des Guten. Als Folge des Glaubens kommt das Handeln ganz automatisch, ohne moraline Aufforderung und geistlicher Zwangspredigt. Wohl ist ein Glaube, dem kein aktives Handeln folgt, kein wahrer Glaube. Denn die Veränderung unseres Lebens muss sich in alle Bereiche auswirken, auch auf unseren Umgang mit anderen. Wenn sich die Kirche nicht für die Schwachen einsetzt, handelt sie falsch. Aber die Tat ist nicht Voraussetzung, sondern Ergebnis des Glaubens. Wer geliebt wird, kann lieben. Beides gehört  zusammen allerdings gehrt es in einer bestimmten Reihenfolge zusammen. In der Sprache der Logik ausgedrückt hieße das:

(Immer) wenn du glaubst, dann handelst du menschenliebend.

Nach den Gesetzen der Logik ist es nun nicht zulässig, diesen Satz umzustellen, sodass er lauten könnte: Wenn du menschenliebend handelst, glaubst du, dann bist du ausreichend genug Christ. Dieser logisch nicht zulässige Schluss ist auch geistlich nicht gestattet. Wohl haben wir keinen Einblick in das geheimnisvolle Handeln Gottes an den Menschen, aber wir dürfen uns nicht dann einfache Wahrheiten wünschen, wenn wir uns über diese nicht sicher sein können. Deshalb bleibt nur zu sagen: Aus dem Glauben folgt das Tun, aber nicht das Tun ist das, was Nähe zu Gott schafft, sondern der Glaube.

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