Zum Fest der gnadenreichen Geburt und Menschwerdung Christi

Weihnachten heißt: Gott wird Mensch. Oder, wie die Konkordienformel sagen würde:

Es ist unsere Lehre, Glaube und Bekenntnis:

1. Dass die göttliche und menschliche Natur in Christus persönlich vereinigt sind, also daß nicht zwei Christus, einer Gottes, der andere des Menschen Sohn, sondern ein einziger Sohn Gottes und des Menschen Sohn sei (Luk. 1; Röm. 9).

2. Dass die göttliche und menschliche Natur nicht in ein Wesen vermengt sind und keine in die andere verwandelt ist, sondern eine jede ihre wesentlichen Eigenschaften behält, welche niemals Eigenschaften der andern Natur werden.

5. Nachdem beide Naturen persönlich, das heißt, in einer Person, vereinigt sind, glauben, lehren und bekennen wir, daß diese Vereinigung nicht eine solche Verknüpfung und Verbindung sei, daß keine Natur mit der andern persönlich, das ist, um der persönlichen Vereinigung willen, etwas gemein haben soll; als wenn zwei Bretter zusammnenleimt wären, und keines dem andern etwas gibt oder von dem andern nimmt, sondern hier ist die höchste Gemeinschaft, welche Gott mit dem Menschen wahrhaftig hat, aus welcher persönlichen Vereinigung und der daraus erfolgenden höchsten und unaussprechlichen Gemeinschaft alles herfließt, was menschlich von Gott und göttlich vom Menschen Christo gesagt und geglaubt wird.

6. Daher glauben, lehren und bekennen wir, dass Gott Mensch und Mensch Gott ist, welches nicht sein könnte, wenn die göttliche und menschliche Natur allerdings keine Gemeinschaft in Tat und Wahrheit miteinander hätten.

Denn wie könnte der Mensch, Marien Sohn, Gott oder Gottes des Allerhöchsten Sohn mit Wahrheit genannt werden oder sein, wenn seine Menschheit mit Gottes Sohn nicht persönlich vereinigt und also realiter, das heißt, mit der Tat und Wahrheit, nichts, sondern nur den Namen Gottes mit ihm gemein hätte?

7. Daher glauben, lehren und bekennen wir, das Maria nicht einen bloßen, einfachen Menschen, sondern den wahrhaftigen Sohn Gottes empfangen und geboren habe, deshalb wird sie auch mit Recht die Mutter Gottes genannt und ist es auch wirklich. […]

Wer Jesus Christus ist, das beschreiben auch die Worte der Weihnachtsgeschichte (Lk 2), wie sie vermutlich in fast jedem Gottesdienst am 24.12. erzählt werden. Dazu ist uns eine Predigt aus der Feder Matthias Hoe von Hoeneggs in die Hände gefallen. Er schreibt:

„Wie viele herrliche Titel der Weisheit, der Wahrheit, der Heiligkeit und der Barmherzigkeit werden Gott dem Herrn zugeschrieben, die ihm auch zum höchsten Ruhm gebühren. Unter anderem aber ist auch das nicht ein gewöhnlicher Name, dass er ein wunderbarer Gott genannt wird, wie David sagt (Ps 77): Du bist ein Gott, der Wunder tut.

Deshalb nennt ihn David auch einen Herrn, dessen Größe unaussprechlich ist (Ps 145). Und die Schrift bezeugt es immer wieder, wie der Allmächtige Wunder getan und seine unaussprechliche Größe erwiese hat. Denn es ist ein Wunderwerk, dass Gott aus Nichts Himmel und Erde erschaffen hat (Gen 1). Ein großes Wunder ist es, dass Gott die Israeliten trockenen Fußes durch den Jordan geführt hat (Ex 14). Ein Wunderwerk war es, dass zur Zeit Josuas Sonne und Mond stillgestanden sind (Jos 10). Ein Wunder war es, dass Gott die drei Männer im Feuerofen unversehrt und Daniel mitten unter Löwen unverletzt erhalten hatte (Dan 3.6). Ein Wunder war es, dass Gott durch einen Engel 185000 Männer erschlagen hatte (2. Kön 19, Jes 37). Ein Wunder war es, dass Simson durch Gottes Kraft mit einem Eselsknochen 1000 Philister erschlagen hatte (Ri 15). Ein göttliches Wunder ist es, dass die Toten wieder auferstehen und lebendig werden. Beim Hören dieser Wunder müssen wir freilich wie David rufen: „Herr unser Herrscher, wie herrlich und wunderbar ist dein Name in allen Landen.“ (Ps 8).

Ein Wunder über alle Wunder aber ist es, dass Gottes Sohn in die Welt gekommen und Mensch geworden ist. Dieses Wunder kann weder mit Menschen- noch mit Engelszungen ausgesprochen werden. Cyprian schreibt (fol 360): Bei den anderen Wunderwerken können wir ja noch einigermaßen mitkommen, aber beim Wunder der Menschwerdung des Sohnes Gottes muss ich mich schlicht über das große Geheimnis entsetzen, ich muss verstummen und kann und weiß es nicht mit meinen Gedanken zu erreichen. So sagt auch der heilige Paulus: Ein wahrhaft großes und gottseliges Geheimnis ist es, dass Gott im Fleisch offenbart worden ist (1. Tim 3). Sankt Bernhardt schreibt: Die hohe göttliche Majestät hat bei der Menschwerdung des Sohnes Gottes drei Dinge getan, welche dermassen wunderbar und auf wunderbare Weise besonders sind, dass dergleichen nicht geschehn ist, noch geschehen wird, solange Himmel und Erde gestanden haben und noch stehen werden. Erstens sind zusammengefügt und miteinander vereinigt Gott und Mensch, die unendliche Natur mit der endlichen. Zweitens sind eins geworden eine Jungfrau und eine Mutter, was die Welt noch nie vernommen hat, dass eine schwanger sei und doch Jungfrau ist und es wird auch in Ewigkeit nicht mehr geschehen, aber bei Maria ist es geschehen, dass sie einen Sohn geboren hat und doch reine Jungfrau vor der Geburt, in der Geburt und nach der Geburt geblieben ist. Drittens ist die Vereinigung geschehen, dass ein menschliches Herz diese Botschaft glaubt, obwohl sie doch über und wider alle Natur, über und wider allen menschlichen Verstand, Vernunft und Gedanken läuft. Denn wie seltsam klingt es doch in unseren Ohren, dass Gottes Sohn in der Krippe liegt, dass er in der Wiege weint, dass er Marter und Pein aussteht. Wie verwunderlich lautet es doch, dass die Jungfrau schwanger sei, ein Kind gebäre, einen Sohn an ihren Brüsten stillt, und doch eine Jungfrau geblieben ist.

Aber alles, was bei der Geburt Jesu geschehen ist, ist nicht ohne besondere Gründe geschehen. Zunächst: Christus wird unter dem römischen Regiment geboren, wodurch erfüllt worden ist, was Jakob in Gen. 49 und Daniel im 2. Kapitel geweisagt haben, dass nämlich das Szepter von Juda genommen sein soll, wenn der Zion geboren werde. Christus wird unter fremder Obrigkeit geboren um zu zeigen, dass er uns von der fremden Herrschaft erretten will (Kol 1). Er wird zur Zeit des Friedens geboren, um zu zeigen, dass er der rechte Friedefürst ist (Jes 9). Er wird in der Fremde geboren, damit wir im himmlischen Vaterland wohnen können (Hebr 13). Er wird in der finsteren Nacht geboren, damit er uns mit seinen Strahlen erleuchtet (Joh 1). Er wird zu Bethlehem geboren, damit die Weissagung des Micha erfüllt werde (Mich 5).Bethlehem heißt „fruchtbares Haus“ oder „Brothaus“, womit Christus anzeigen will, dass er das rechte, fruchtbare Weizenkorn ist (Joh 12).

Er wird von einer Jungfrau ohne Zutun eines Mannes geboren, damit Jes 7 erfüllt wird und damit erfüllt wird, was Gott in Jer 31 versprochen hat und was Ezch 44 angedeutet hat: Das Tor ist zugeschlossen und wird nicht aufgemacht werden. Und niemand soll hindurch gehen als alleine der Herr, der Gott Israels. Er wird hindurch gehen, und das Tor wird zugeschlossen bleiben. Das, liebe Gemeinde, sollen wir uns merken, und uns daran nicht irre werden lassen, denn er sollte und wollte auf diese sonderbare Weise geboren werden, auf die nie ein Mensch auf die Welt gekommen ist.Er wollte eine Jungfrau dazu gebrauchen, damit, wie Eva im Jungfrauenstand Übel und Verderben, so Maria als Jungfrau den Heiland brächte. Und doch war Maria eine verlobte Jungfrau. Dadurch bekam sie einen treuen Beistand und Pflegevater, Joseph. Mit beiden nun hätte der Teufel nie gerechnet. Denn er hat zwar gewusst, dass Jesus von einer Jungfrau geboren werden sollte, aber er hätte nie gedacht, dass die arme Magd, die einem Zimmermann anvertraut war, die Gottesgebärerin sein sollte.

Nun wurde das Kind in Windeln gewickelt, was anzeigt, dass wir aus den Windeln und Banden des Todes ausgewickelt werden sollten. Auch zeigt das, dass Jesus seine Macht und Herrlichkeit verborgen hat und in dieser Welt als der in Windeln Gewickelte erkannt werden möchte. Diese Windeln sind das Wort Gottes und die Heiligen Sakramente, in die das neugeborene Kind sich und seine geistlichen Wohltaten gelegt und eingebunden hat (Joh 5). Auch lag es in eienr Krippe. Das zeigt, dass wir aus der Krippe der Sünde herausgebracht worden sind. Es lag im Stall, auf dass wir den Festsaal einnehmen würden. Es lag auf der Erde, auf dass wir Raum haben im Himmel. Es war arm und elend, damit wir von ewiger Armut und ewigem Elend errettet werden sollten. Das ist der Zustand dieses Kinds in der Krippe.

Und es zeigt diese Geburt Gottes Barmherzigkeit. Denn was hätte es uns geholfen, wenn er uns auch tausend Welten geschenkt hätte. Nirgendwo wäre damit unserer Seligkeit geholfen gewesen. Wäre uns das Kind nicht geboren, so wären wir in jedem Fall verloren, wie wir singen.

Auch zeigt die Geschichte Gottes Wahrheit. Denn was er etliche tausend Jahre zuvor zugesagt hat, das hat er auch, als die Zeit reif war, umgesetzt (Gal 4). Damit zeigt er, wie er an seinen heiligen Bund denkt und an den Eid, den er unseren Vätern geschworen hat (Lk 1).

Zwar zog es sich etliche tausend Jahre lang mit dieser Geburt, aber dann kam dieser Tag endlich, der Tag, an dem den Überträtern gewehrt werden soll, an dem die Sünde versiegelt, die Missetat versöhnt und die ewige Gerechtigkeit wiedergebracht werden sollte. Denn das Wort bleibt in Ewigkeit (Jes 40).

Wir werden aber auch darüber unterrichtet, wie hoch die Geburt und Menschwerdung des Sohnes Gottes in den Augen der göttlichen Majestät gewesen ist: Nämlich so hoch, dass deshalb die Engelsherrscharen ausgesendet worden sind, und diese fröhliche Botschaft verkündet haben. So hoch, dass eine sonderbare unaussprechliche Klarheit am Himmel erschienen ist. Und er verkündet: Heute, heute endlich ist der geboren, nach dem sie sich alle gesehnt haben, Abraham und die Altväter, der, auf den sie so lange geharrt haben. Da könnt ihr aufatmen, ihr Geängstigten und Verlorenen, denn heute ist Jesus gekommen, der die sucht und selig macht, die verloren sind. Ihr Kranken, ihr werdet heute wieder gesund, denn heute ist Jesus gekommen, der die zerschlagenen Herzen mit der Salbe seiner Barmherzigkeit heilt Wacht auf, die ihr im Staub auf der Erde liegt, denn heute kommt er, der Arzt zu den Kranken, der Erlöser zu den Gefangenen, der Weg zu den Irrenden, das Leben zu den Toten.

Ach, wir haben das nicht verdient. Wir sind seine Feinde gewesen (Röm 5). Und dennoch ist er uns geboren, nicht zum Verderben oder zum Gericht, nicht zur Verdammung, sondern zur Hilfe, zum Trost, zum Heil, zur Seligkeit. Deshalb sagt der Engel: Euch ist heute der Heiland geboren.

Der Geist Gottes hat aber auch beschrieben, welche Wohltaten aus der Geburt des Herrn Jesus Christus entspringen. Sie bringt große Klarheit, hat himmlische Herrlichkeit erworben, auf die wir unseren Trost setzen (Phil 3, 1. Kor 15). Sie bringt uns Freude, die nicht von uns genommen wird. Durch die Menschwerdung sind wir zu himmlischem Adel gemacht, haben ansehnliche Namen bekommen und vornehme Freundschaft erhalten. Denn Christus ist unser Bruder geworden, hat nicht Engelsgestalt sondern die der Menschen angenommen. Was hätte dem menschlichen Geschlecht für größere Ehre geschehen können? Was will ich mehr, wenn ich doch weiß, dass mein Fleisch und Blut zur Rechten Gottes sitzt? Wir sind erretet von den Stricken des Satans, von Fluch und Gefängnis des Gesetzes, vom Grimm des göttlichen Zorns. Dagegen haben wir bei Gott und auf Erden Frieden erlangt, Friede in uns selbst und Friede im Himmel. So lasst uns nun den Engeln nachfolgen, wie sie sich über diese Geburt so gefreut haben, und inbrünstig Gott dem Herrn danken und miteinander singen: Ehre sei Gott in der Höhe.“

(gekürzt und ausgewählt) aus: M. Hoe von Hoenegg, Festpostille, Leipzig 1614.

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