Schonmal eine Predigt über die Erbsünde gehört? So explizit kommt das vermutlich eher selten vor. Dennoch weiß jeder, der irgendwie mal etwas von der Kirche gehört hat, dass sie die Erbsünde lehrt. Nicht zuletzt kann man in fast jeder Diskussion, in der Nichtkirchler versuchen, nachzuweisen, wie rückständig und böse die Kirche ist, erwarten, dass dieses Stichwort fällt , denn mit der Lehre von der Erbsünde sei es der Kirche doch vor allem um die Unterdrückung der Menschen gegangen. Zeit also, ein wenig Ordnung ins Dickicht der Gefühle, die bei diesem Schlagwort aufploppen, zu bringen, und die Frage zu stellen: Was lehrt denn nun die Schrift (und mit ihr die evangelische Kirche) von der Erbünde? Und wer könnte das uns besser erläutern, als Martin Chemnitz, der in seiner Untersuchung über die Beschlüsse des Konzils von Trient (dass die römisch-katholische Kirche in ihrer heutigen Form in die Welt brachte), auch über die Erbsünde spricht. Acht biblische Beobachtungen zum Wesen der Erbünde macht Chemnitz:
„Die Schriftlehre von der Erbsünde.
1. Das mit dem Sündenfall eingetretene Verderben können wir keineswegs mit unserer grübelnden Vernunft begreifen. Wir können es auch nicht mit unserem klügelnden Verstande berechnen. Vielmehr müssen wir uns, um dieses Verderben kennen zu lernen, an die göttliche Offenbarung in der heiligen Schrift halten.
2. Daher muss diese ganze Untersuchung auf dem Boden der heiligen Schrift ihre Grenzen und ihre Gesichtspunkte finden. Es ist aber durchaus irrtümlich, dass man die Unordnung des Menschenherzens und seiner widerstrebenden Kräfte in die Schöpfung und in den Anfang der menschlichen Natur zurückverlegt. Ebenso irrtümlich behauptet man, dass der Mangel an ursprünglicher Gerechtigkeit und die mit der Sünde eingerissene Begierde von keinem Gesetz Gottes verurteilt werden.Der Mensch wurde nach Gottes Ebenbild geschaffen. Dieses Ebenbild stimmte überein mit der maßgebenden Gerechtigkeit in Gott. Das heißt: im ganzen Geist, im ganzen Herzen, im ganzen Willen, in allen Gliedern des Körpers und in allen Mächten der Seele waren die Kräfte ganz unverletzt und ganz vollkommen, ganz geeignet, Gott zu erkennen, Gott zu lieben, sowie auch den Nächsten, nach dem Doppelgebot der Liebe. Am Schöpfungsmorgen war die menschliche Natur ganz rein und heilig. Sie entsprach dem letzten Gebot: „Lass dich nicht gelüsten.“ So war das Ebenbild Gottes im Menschen. Dass es so war, erhellt aus der Wiederherstellung dieses Bildes, die der heilige Geist in diesem Leben an uns beginnt (Röm 12, Eph 4, Kol 3). Das Gesetz verlangt diese Ebenbildlichkeit im ersten und im letzten Gebot von allen Menschen. Was aber die Schrift bezeugt, das lehrt auch die Erfahrung von den Menschenkindern: ihr wille ist abgewendet von Gott und voll Widerstreben gegen ihn; ihr Herz voll widerspenstiger Begierden; ihre Kräfte aber in Unordnung geraten und was geistliche Dinge betrifft ganz verkehrt und verderbt.
3. Um aber die Wohltat Christi in ihrer Größe zu verstehen, müssen wir zuvor unsere Krankheit erkannt haben. Deshalb führt uns die Schrift in sehr vielen Zeugnissen und auf mancherlei Weise das höchst traurige Verderben unserer Natur zu Gemüte.
4. Zunächst beschreibt uns die heilige Schrift die Vollkommenheit des Menschen vor dem Sündenfall (1. Mose 1).
5. Zweitens zeigt sie uns unser Verderben vor der Erneuerung (Eph 2). Die Schrift unterscheidet aber dieses beides: Sünde tun (1. Joh 2) oder in Sünde wandeln (Eph 2,2) und Sünde haben (1. Joh 1), womit die innewohnende Sünde (Röm 7, Hebr 12) gemeint ist.
6. Drittens redet die Schrift davon, wie der Mensch aus dem Geist der Erneuerung wiederhergestellt wird, nicht anders als so, dass dem gegenüber zugleich der wirkliche Zustand der eingetretenen Verderbtheit zum Ausdruck kommt (Röm 12, Eph 4, Kol 3, usw.).
7. Wie groß ferner die Verderbtheit der menschlichen Natur durch die Sünde geworden ist, zeigt die Schrift Viertens an den Resten der Erbsünde auch bei den Wiedergeborenen in diesem Leben (Röm 7): „Ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüt und nimmt mich gefangen in der Sünde Gesetz, welches ist in meinen Gliedern“. (Anm.: Auch die Konkordienformel bezieht Röm 7 auf den wiedergeborenen Menschen.)
8. Fünftens: Wo die Schrift die schreckliche Verderbtheit des Menschen beschreibt, der vom Geist Gottes verlassen ist, gibt sie eben damit zugleich eine Schilderung der Erbsünde (1. Mose 6 u. 8, Röm 3, Eph 2 usw.).
9. Sechstens beschreibt die Schrift dieses Übel, indem sie es bejaht: Das Trachten des menschlichen Herzens ist böse immerdar, und indem sie zugleich das Gegenteil verneint: Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geiste Gottes (1. Kor 1).
10. Siebentens: Wo die Erbsünde geschildert wird, erscheint sie auch als eine Tyrannei des Teufels (Eph 2).
11. Achtens: Als Sitz der Erbsünde wird der Verstand des Menschen genannt, wie auch sein Wille, dazu sein Herz, ja der ganze alte Mensch mit seinen Lüsten und Begierden.“
aus: Martin Chemnitz, Examen Concilii Tridentinii, Leipzig 1884, 73f
Der Sündenfall wird in Genesis 4 beschrieben. Dabei geht es um MORD. Das ist die Ursünde. Der Sündenfall. Kain ermordet aus niedrigen Beweggründen sein Bruder Abel.
In Genesis 3 kommt das Wort Sünde gar nicht vor!
Und in obigem Beitrag kommt Gen 3 gar nicht vor! Was machen wir jetzt?
Ja, wir wissen nicht, was wir zu solchen absoluten Behauptungen sagen sollen. Es ist relativ egal, ob das Wort Sünde in Gen. 3 nicht vorkommt. Was beschrieben wird, ist eine radikale Änderung des Ich, eben der Natur des Menschen, welcher somit aus dem Paradies vertrieben wird. Was Sie sagen kann man behaupten, es wäre natürlich noch besser, wenn Sie Ihre Interpretation auch untermauern könnten.
Wenn Kain nicht als Sünder geboren wäre, wäre er gar nicht auf die Idee gekommen, seinen Bruder umzubringen.
(Soeben diese Seite entdeckt … freu mich aufs forschen … )