Furcht und Ärger über die Gegenwart ist das Wirken des alten Adams in uns: David Runges Trost an verfolgte Christen

David Runge, Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts Professor erst für Hebräisch in Greifswald und dann für Theologie in Wittenberg, setzte sich für verfolgte Glaubensgenossen ein – zum Beispiel für die, die in Österreich von Rekatholisierungsmaßnahmen betroffen waren. In diesem Kontext schrieb er einen „Trost an verfolgte Christen“, aus dem wir heute einiges zitieren wollen – nicht weil Christen in Deutschland im Allgemeinen besondere Verfolgung zu fürchten haben (es sei denn, sie sind bspw. Flüchtlinge), sondern weil sich aus der Haltung lernen lässt, die Runge ihnen aufträgt. Zudem ist Runges Schrift auch ein großartiges historisches Beispiel, dass Flucht & Vertreibung nichts Neues sind, sondern (auch) Christen immer wieder getroffen hat, ja eben, wie Runge zeigt, biblisch nahegelegt und vorausgesagt sind. Sollten wir also das Gefühl haben, dass es in unserem (kirchlichen) Leben Bedrängungen oder Einschränkungen gibt, die uns aufgrund unseres Glaubens widerfahren, soll uns das weder zu Angst noch zu Hass führen, sondern … ach, fragen wir am Besten Runge selbst:

„[Ich will euch aber raten], dass jetzt Beten, in der Schrift lesen, leidend über euer Vaterland seufzen und Hoffen die beste Arbeit sein wird, mit welcher ihr den alten Adam in euch bekämpft und tötet und euch dem neuen Menschen, der durch Christus und die Kraft des Heiligen Geistes einen so herrlichen Sieg in euch erhalten hat, öffnet und ihn stärkt. Ihr wisst, was David im 119. Psalm sagt:’Wo dein Wort nicht mein Trost gewesen wäre, so wäre ich vergangen in meinem Elend.‘ Auch: ‚Gedenke deinem Knecht nach deinem Wort, auf welches du mich hoffen lässt. Das ist mein Trost in meinem Elend. Denn dein Wort erquickt mich. Die Stolzen haben ihren Spott an mir, dennoch weiche ich nicht von deinem Gesetz.‘ Gott hat euch würdig erachtet, seinen Namen zu bekennen vor dieser argen und unartigen Welt, die sonst allenthalben voll Lästerung und Unheiligkeit ist. Da hat euch Gott als seine Werkzeuge gebraucht, seinen Namen zu predigen, womit an euch folgende Sprüche erfüllt sind: ‚Ich rede von deinen Zeugnissen vor Königen und schäme mich nicht.‘ (Ps 119) Oder: ‚Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, seilg zu machen alle, die daran glauben.‘ (Röm 1)

Es ist die höchste Ehre, die wir Gott erweisen können, wenn wir sein Wort, seine Ehre und seinen Namen höher achten als unsere Ehre, unser Gut und Blut, Leib und Leben. Davon sagt Petrus: Niemand leide unter euch als ein Mörder oder Dieb oder Übeltäter oder als der, der in ein fremdes Amt greift. Leidet er aber als ein Christ, so schäme er sich nicht, er ehre aber Gott in solchem Fall.‘ Auf diesen Ruhm, den euch kein Teufel und kein Mensch nehmen kann, soll euer Gewissen fest stehen, so oft ihr des verlorenen Glücks, Häuser, Nahrung, Ehre‘, Vaterland oder ähnlichem gedenkt und der alte Adam sich regt. Denn auch in den Heiligen ist das Fleisch schwach, wenn der Geist willig ist. Trotzt dem in eurem Herzen, weil ihr das alles nicht wegen einer üblen Tat, nicht wegen eines Menschen, auch nicht aus Angst vor Gefahr, sindern um des höchsten Guts willen habt fallen gelassen. Darin seid ihr nicht dem Urteil der Welt, sondern unserm Herrn Jesus Christus nachgefolgt, der euch und eures gleichen beständige Bekenner des Wahrheit mit einem weisen Kaufmann vergleicht. Der suchte gute Perlen, und da er eine wunderschöne fand, ging er hin und verkaufte alles und kaufte sie.

Das ist Christi Urteil über euer Handeln, mögen auch die Weltkinder euer spotten, ihr wäret große Narren, dass ihr solchen ungleichen Tausch getroffen habt. Haltet dagegen Christi Wort und sprecht mit David: ‚Es sitzen auch die Fürsten und reden wider mich, aber dein Knecht redet von deinen Rechten.‘ (Ps 119). Oder: ‚Herr, wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erden.‘ (Ps 73). Das ist ja freilich das eine Nötige und der beste Teil, den Maria erwählt hat, der nicht von ihr genommen werden soll. Diesen Trost, liebe Brüder, gibt auch euch die Betrachtung eures Verhaltens, und des daraus erfolgten Elends. So oft ihr sprecht: Geheiligt werde dein Name, sollt ihr dem Allmächtigen danken, dass er euch würdig gemacht hat, durch ein solches herrliches Werk seinen Namen zu heiligen und dass er euch durch seinen Geist behütet hat davor, seinem Namen zu schmähen. Lasst euch durch das sündliche Fleisch nicht irremachen oder betrüben, dass euch solche herrliche rühmliche christliche Tat, die euch ewige Ehre vor Gott ist, und wodurch Gott vor den Menschen geehrt worden ist, jemals reuen werde.

Seht, ihr Leiben, die Christen werden in dieser Welt als Verführer zum Tode verurteilt, werden für arme, traurige Bettler gehalten und mit bösem Gerücht von der gottlosen Welt belegt. Daher beklagt die Kirche Christi ihren Zustand und ermahnt alle Gläubigen, dass sie sich an ihrer hässlichen Gestalt nicht ärgern sollen. ‚Ich bin schwarz‘, spricht sie, ‚aber gar lieblich, ihr Töchter Jerusalem. Seht mich nicht an, weil ich schwarz bin, denn die Sonne hat mich so verbrannt und meiner Mutter Kinder zürnen mit mir.‘ (Hohel.) So klagt die liebe christenheit, dass sie durch die Hitze der Anfechtung, die sie von öffentlichen Verfolgern, von Ketzern und falschen Brüdern täglich erfährt, schwarz und hässlich geworden ist. Aber das hat ja der Herr Christus seinen Aposteln und allen Christen alles zuvor verkündet, wie man sie binden, plagen, verjagen, schmähen und töten werde (Joh 16). Deshalb denkt daran: ‚Sterben wir mit, so werden wir mit leben, dulden wir, so werden wir mit herrschen.‘

Nun habt aber auch keine Angst, dass Christus und seine Kirche am Ende gar ausgerottet würden. Denn Christus sitzt all seinen Widersachern zu hoch, zur rechten seines himmlischen Vaters. Gott hat ihn auf dem Heiligen Berg zum König eingesetzt (Ps 2). Da werden ihn die elenden Würmer, die Verfolger, wohl sitzen und regieren lassen müssen. Bei ihm ist die Kirche Gottes fest gegründet, weshalb sie fröhlich singt (Ps 46): Gott ist unsere Zuversicht und Stärke!“

Aus: David Runge, Bericht und Erinnerung von der tyrannischen päpstlichen Verfolgung des H. Evangeliums in der Steiermark, Kärnten und Krain mit angehängtem Trost an die verfolgten Christen, Wittenberg 1601

Viel wollen wir gar nicht noch ergänzen. Aber bemerkenswert finden wir, und wollen darauf aufmerksam machen: Runge führt hier an dieser Stelle keine Auseinandersetzung mit den Verfolgern. Dazu ist Platz an einem anderem Ort. Hier geht es darum, die erlebte Situation in die eigene Beziehung zu Christus einzubringen – sie von ihm aus zu sehen und zu bewerten und sich zu ihm hin zu flüchten. Trost ist hier also (auch) ein Blickwechsel: Nicht meine Sorgen, sondern Gottes Zusagen sind es, was zählt.

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