Soll ich was tun? Über das christliche Handeln

„Auch wird gelehrt, dass solcher Glaube gute Früchte und gute Werke bringen soll, und dass man müsse gute Werke tun, allerlei, die Gott geboten hat, um Gottes willen, doch nicht auf solche Werke zu vertrauen, um dadurch Gnade vor Gott zu verdienen; denn wir empfangen Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit durch den Glauben an Christus, wie Christus selbst spricht (Luk. 17): „So ihr dies alles getan habt, sollt ihr sprechen: wir sind untüchtige Knechte.“ So lehren auch die Väter. Denn Ambrosius spricht: „Also ist’s beschlossen bei Gott, daß, wer an Christus glaubt, selig sei, und nicht durch Werke, sondern allein durch den Glauben ohne Verdienst Vergebung der Sünden habe.“

Diese Worte aus dem sechsten Artikel der Confessio Augustana rammen einige Pfeiler ein, an denen sich auch heute festgehalten werden kann, wenn gefragt wird: Wie ist das als christliche Person, wie muss ich mich da verhalten? Denn, grob skizziert, gibt es ungefähr drei missverstandene Antworten auf diese Frage, die in evangelischen Gottesdiensten vorkommen und alle eine richtige Idee haben, sie aber so verkürzen, dass es im Hinblick auf den christlichen Glauben falsch wird. Natürlich haben auch alle drei ihren wahren Punkt, auf den sie aufmerksam machen.

Die erste falsche Alternative lautet: Es ist egal, was du tust! Hauptsache, du glaubst. Christus hat schon alles für dich getan, deswegen ist es völlig irrelevant, wie du dich verhältst und verhalten hast. Mit anderen Worten: Für den wiedergeborenen Christen gilt kein Gesetz.

Die zweite falsche Alternative ist die „evangelikale“ Antwort: Du musst tun, was du glaubst! Wenn dein Leben nicht mit der christlichen Lehre übereinstimmt, bit du inkonsequent, und es ist alles wertlos. Mit anderen Worten: Glaube und Gesetz liegen gleichauf.

Die dritte falsche Alternative ist die „liberale“ Antwort: Egal, was du glaubst, wenn du nur tust! Diese Antwort ist eine, die auch gesellschaftlich akzeptiert und eingängig sein dürfte und im Rahmen des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlichster Glaubensüberzeugungen durchaus von Bedeutung ist: Ist doch egal, weshalb du dich gut verhältst, hauptsache du tust es! Was kümmert es uns, was genau du dabei glaubst, solange du menschenfreundlich bist.

Wie das obige Zitat aus der Confessio Augustana zeigt, können alle drei Aussagen im Blick auf den christlichen Glauben nicht befriedigen. Wie es stattdessen richtig ist, zeigt uns die Apologie der Confessio Augustana (3. Artikel):

„Wenn wir nun durch den Glauben neugeboren sind und erkannt haben, dass uns Gott will gnädig sein, will unser Vater und Helfer sein, so heben wir an, Gott zu fürchten, zu lieben, ihm zu danken, ihn zu preisen, von ihm alle Hilfe zu bitten und [zu] gewarten, ihm auch nach seinem Willen in Trübsalen gehorsam zu sein. Wir heben alsdann auch an, den Nächsten zu lieben; da ist nun inwendig durch den Geist Christi ein neu Herz, Sinn und Mut. Dieses alles kann nicht geschehen, ehe wir durch den Glauben gerecht werden, ehe wir neugeboren werden durch den Heiligen Geist. Denn erstlich kann niemand das Gesetz halten ohne Christus’ Erkenntnis; so kann auch niemand das Gesetz erfüllen ohne den Heiligen Geist. Den Heiligen Geist aber können wir nicht empfangen denn durch den Glauben, wie zu den Galatern am 3, 14 Paulus sagt, dass wir „Die Verheißung des Geistes durch den Glauben empfangen“. Auch ist es unmöglich, dass ein Menschenherz allein durch das Gesetz oder sein Werk Gott liebe. Denn das Gesetz zeigt allein an Gottes Zorn und Ernst; das Gesetz klagt uns an und zeigt an, wie er so schrecklich die Sünde strafen wolle beide mit zeitlichen und ewigen Strafen.

Augangspunkt ist also der Glaube. Es kommen nicht Glaube und Werke zusammen. Du musst nicht erst bekennen, dass du Christ sein willst, der Heilige Geist wirkt zuerst an dir. Soweit der wahre Punkt der verkürzten ersten Antwort. Aber der Heilige Geist bewirkt in uns, dass wir nun Gott und unseren Nächsten lieben (hier der wahre Punkt von Aussage 2).

Zwar kann ein Mensch auch aus eigenem Vermögen „ein ehrbar Leben führen und äußerliche Werke des Gesetzes zu tun“ (das der wahre Kern von Aussage 3), aber die ersten drei Gebote, die das Wichtigste sind, ohne die alles andere (aus chrislticher Perspektive) wertlos wird, können nur durch den Heiligen Geist gehalten werden.

Zu glauben bedeutet, sich „auf Gottes Barmherzigkeit und Wort, nicht auf eigene Werke“ zu verlassen:

„Und meint jemand, dass der Glaube sich zugleich auf Gott und eigene Werke verlassen könne, der versteht gewisslich nicht, was Glaube sei. Denn das erschrockene Gewissen wird nicht zufrieden durch eigene Werke, sondern muss nach Barmherzigkeit schreien und lässt sich allein durch Gottes Wort trösten und aufrichten.“

Die Barmherzigkeit, die ich empfange, macht mich vor Gott gerecht. Nicht das Bekenntnis zu Gott oder die Gotteserkenntnis. Denn beide sind schon Werke, die ich tue: „Die Frau kommt in der Zuversicht zu Christo, daß sie wolle Vergebung der Sünden bei ihm erlangen; das heißt recht Christum erkennen und ehren; denn größere Ehre kann man Christus nicht tun. Denn das heißt den Messias oder Christum wahrlich erkennen, bei ihm die Vergebung der Sünden zu suchen. Dasselbe von Christus halten, also Christum erkennen und annehmen, das heisst recht an Christum glauben. Darum will Christus nicht, daß die Liebe und die Werke sollen der Schatz sein, dadurch die Sünden bezahlt werden, welches Christus’ Blut ist. Denn so wir auf unsere Werke vertrauen, so wird Christo seine Ehre genommen, so ist Christus nicht der Versöhner oder Mittler, und werden doch endlich erfahren, dass solch Vertrauen vergeblich sei, und dass die Gewissen dadurch nur in Verzweiflung fallen. Denn das Gesetz macht niemand gerecht vor Gott, solange es uns anklagt. Nun kann sich ja niemand rühmen, dass er dem Gesetz genuggetan habe. Darum müssen wir woanders Trost suchen, nämlich bei Christus.

Unsere Gerechtigkeit vor Gott, uner Angenommensein von Gott, Gottes Liebe, finden wir also nicht durch das, was wir tun, egal wie vollkommen wir sind. Das alles können wir nur annehmen und empfangen. Stattdessen gilt: „Gute Werke folgen dem wahrhaftigen Glauben, wenn derselbe nicht ein toter, sondern ein lebendiger Glaube ist, gewiss und unzweifelhaft wie gute Früchte einem guten Baum nach.“ (FC, Artikel 4)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert