In diesen Tagen wird in Sachsen ein neuer Bischof oder eine neue Bischöfin gewählt werden. Viel und öffentlich wurde über den zurückgetretenen Bischof diskutiert, mit ziemlicher Sicherheit wird es bei der Wahl, wie sie auch ausgeht, nicht so werden. Doch was wird und was sollte überhaupt werden? Zeit und Gelegenheit für uns, über das Bischofsamt nachzudenken.
Speziell in der sächsischen Landeskirche wird der Wunsch laut, es solle nun ein „Kandidat der Mitte“ gefunden werden. Und alle aufgestellten Kandidaten scheinen in diesem Sinne vielversprechend zu sein, wenn man damit meint, dass man so wenig Eindeutiges vertritt, dass die einzelnen Positionsdarstellungen vor dem geistigen Auge zu verschwimmen beginnen. Hierbei wird leicht vergessen, dass Bischof Rentzing zwar persönlich tatsächlich konservative theologische Positionen vertrat und somit angreifbar war, jedoch in der Ausführung seines Amtes das klare Ziel hatte ein „Bischof für alle“ zu sein:
„Vor der Presse betonte er, dass er sich nicht als Vertreter eines bestimmten konservativen Teils der Landeskirche sehe. „Ich hoffe sehr, dass meine Hand, die ich über die Gräben reichen will, angenommen wird.“
https://www.sonntag-sachsen.de/2015/carsten-rentzing-knapp-zum-landesbischof-gewaehlt
Er stellte sich z.B. vollkommen hinter das vom Landeskirchenamt favorisierte Strukturreformprogramm, das innerhalb der Landeskirche und auch der Synode zutiefst umstritten war.
Die wirkliche Frage ist also, ob diese Idee des Vermittelns und das Zusammenhalten unvereinbarer Positionen um des Friedens und der Einheit einer Kirche willen tatsächlich die Kernaufgabe eines Bischofs ist. Wir sagen bewusst „Kern“, denn konträre Meinungen gibt es in den homogensten Gruppen und Leitung wird immer auch einen versöhnenden und klärenden Auftrag haben. Doch die EVLKS ist um ein vielfaches tiefer und auf grundlegendere Weise zerrissen.
Der Bischof als Schmerzensmann der Einheit
Dies, so schien es mir persönlich, scheint eine der Selbstauffassungen des Bischof emeritus gewesen zu sein – und das in keiner Weise auf hochmütige oder selbstgefällige Art. Und sie ist sicher ehrbar, die Idee in einer zerrissenen Kirche inmitten genau dieser Zerrissenheit zu stehen, sie am eigenen Leib zu tragen und zu erleiden. Hier ist jedoch wichtigerweise anzumerken: Einheit ist Form, nicht Inhalt. Einheit ist die Beschreibung eines Zustands der in der Übereinstimmung gewisser Fakten besteht, so dass diese Übereinstimmung dann Einheit darstellen. In der Kirche sind dies immer Übereinstimmungen von Inhalten, denn Kirche ist eine Glaubensgemeinschaft (siehe auch hier und hier oder auch hier). Aber was sind die Inhalte, an denen die Einheit einer Kirche gemessen werden kann? Und wer vertritt sie innerhalb der Kirche? Wer klärt und vertritt die Grenzen, in denen man in Einheit steht und außerhalb derer eine Trennung stattgefunden hat?
Kirche als Boot
Der Unterschied inhaltlicher und rein institutioneller Zugehörigkeit und Einheit lässt sich an zwei Bildern zur Kirche darstellen. Letzteres ist die Idee vom Zelt, von dem Dach unter dem viele verschiedene Positionen Platz haben und zusammengehören, weil sie sich eben gerade unter diesem Dach befinden. Die Zeltgemeinschaft tendiert jedoch letzten Endes stets dazu, dass das Zelt an sich das allerwichtigste wird, nicht das Trockensein, nicht die Wärme. Denn man gehört ja zusammen, weil man im selben Zelt steckt. Die Kirche ist aber eben kein Zelt in jenem Sinne, in dem man „drin“ ist, weil man … nun, einfach drin ist. Sie gleicht eher einem Boot: Das Boot hat ein vorbestimmtes, festes Reiseziel und alle ursprünglichen Mitreisenden entschieden sich, dahin zu fahren – deshalb sind sie auf dem Boot. Dabei kann jeder, der sich hier nicht wohlfühlt, das Boot verlassen wenn er Zweifel hat, ob es wirklich an einen guten Ort fährt. Doch muss das Schiff, zum Dienst jener, die darin an den versprochenen Ort kommen wollen, auf entsprechendem Kurs gehalten werden. Hier liegt z.B. auch die klare Grenze kultureller Orientierung in geistlichen Fragen: die Grundaussage des Glaubens ist immer transzendent und eschatologisch, das heißt sie ist auf Überirdisches und Jenseitiges ausgerichtet, was, de facto, mit dieseitigen Informationen nicht wiederlegt werden kann. Sie muss bis zum Ziel durchhalten, so wie instinktive Anpassungen der Strecke durch einen Langläufer mit dem Verlust der Orientierung enden werden. Die Frage, wer nun das Boot der Kirche auf dem eingeschlagenen Kurs halten soll, bringt uns zum letzten Bischofsbild, aber auch zu einer letzten erhellenden Beobachtung: Bei einem Streit der Passagiere des Schiffes über den Kurs und das Ziel stellt sich die nicht leicht zu beantwortende Frage: Ist es die Aufgabe des Kapitäns die Mannschaft zusammenzuhalten oder das Boot an das vermeintliche Ziel zu bringen, jedoch zumindest auf dem eingeschlagenen Kurs zu halten?
Der Bischof als Hirte
Gleich wird uns Conrad Porta dieses Bild noch mehr erhellen. Der Hirte weidet die Schafe und bekämpft die Wölfe. Diese klassische Formel bringt uns der Realität des Bischofsamts näher, zumindest der, die vom klassischen Christentum und auch der Schrift gesetzt wird. Der erste Hirte ist natürlich Christus, ihm dienen und folgen die Berufenen dieses Amtes indem sie die Schafe weiden und den Wölfen wehren sollen. Das ist stets inhaltlich gefasst. Die gute Weide ist das Wort des Herrn, die gute Lehre, die göttliche Wahrheit, sind die darin und daraus gestifteten Sakramente. Die Wölfe sind falsche Lehrer, seien es Verbreiter von Rassismus oder Leugner des Apostolikums. Der Bischof ist berufen (und eben deshalb theologisch ausgebildet), um die Herde zu leiten und jene Kämpfe für sie auszutragen, die sie nicht kämpfen kann, ja, die sie eventuell nicht wirklich selbst klar durchblickt. Der Anspruch, eine Herde in Friede und Eintracht zu halten, in der Schafe und Wölfe zusammenleben, und zwar eben nur deshalb, weil sie irgendwie Teil derselben Herde sind, ist weder praktisch noch biblisch haltbar. Im Gegenteil, wird nicht der Bischof, nachdem er die Wölfe freundlich erinnert hat, dass hier niemand angefallen oder gar gefressen werden darf und sich den Schafen zuwendet, plötzliche, stechende Schmerzen in Knöcheln und Waden verspüren?
Was soll ein Bischof also tun und was sagt die Bibel dazu? Genaueres, und zwar im Allgemeinen zum Pfarr- und Bischofsamt gefasst, sollen uns zum Abschluss Valentin Ernst Löscher und Conrad Porta sagen.
Beweise mir aus der heiligen Schrift und Luthero, dass ein Prediger falsche Lehrer und falsche Lehre strafen solle und müsse?
Antwort:
Daß ein jeder Prediger falsche Lehre zu strafen schuldig, ist kund und offenbar aus dem l3. und 18. Cap. Deuteronomii, da Moses solches mit seinem Exempel lehret. Item aus dem Exempel des Propheten Elias, der zu allem Volke spricht: Wie lange hinket ihr auf beiden Seiten? Ist der Herr Gott, so wandelt ihm nach; ist’s aber Baal, so wandelt ihm nach etc. Und im neuen Testamente hält der Herr Christus selbst diesen Brauch, daß er falsche Propheten und falsche Lehrer mit großem Ernste strafet. Und St. Paulus befiehlet solches allen Predigern. Ein Bischof oder Prediger soll mächtig sein zu strafen die Widersprecher, denn es sind viele schlechte und unnütze Schwätzer und Verführer, sonderlich die aus der Beschneidung, welchen man muß das Maul stopfen, die da ganze Häuser verkehren und lehren, das nicht taugt.
M. Luther in der Hauspostille über die Epistel am Christtage: „Es ist geschrieben im Buche Nehemia 4, da sie Jerusalem wieder baueten, dass sie mit einer Hand baueten, und in der anderen Hand ein Schwert hatten, um der Feinde willen, die den Bau hindern wollten. Das leget St. Paulus Titus 1 also aus: dass ein Bischof, Prediger oder Pfarrherr soll mächtig sein der Lehre und in der heiligen Schrift zu lehren und zu vermahnen, dazu auch den Widersprechern zu wehren. Also, dass man des Wortes Gottes brauche in zweierlei Weise, als des Brots und als des Schwerts, zu speisen und zu streiten, zu Friedens- und Kriegeszeiten, und also mit der einen Hand die Christenheit baue, bessere, lehre, speise, mit der anderen dem Teufel, den Ketzern und der Welt Widerstand thue. Denn wo nicht Wehre ist, da hat der Teufel die Weide bald verderbet, welcher er gar feind ist.“
Item über das fünfte Capitel der 1. Epistel Petri: „Ein Prediger muss nicht allein weiden, also, dass er die Schafe unterweise, wie sie rechte Christen sein sollen, sondern auch daneben den Wölfen wehren, dass sie die Schafe nicht angreifen, noch mit falscher Lehre verführen, und Irrthum einführen, wie denn der Teufel nicht ruhet. Nun findet man jetzt viele Leute, die wohl leiden mögen, dass man das Evangelium prediget wenn man nur nicht wider die Wölfe schreiet. Aber wenn ich schon predige und die Schafe wohl weide und lehre, so ist das doch nicht genug der Schafe gehütet und sie verwahret, dass nicht die Wölfe kommen und sie wieder davon führen. Denn was ist das gebauet, wenn ich Steine auf werfe und sehe einem anderen zu, der sie wieder einwirft! Der Wolf kann wohl leiden, dass die Schafe gute Weide haben, er hat sie desto lieber wenn sie feist sind. Aber das kann er nicht leiden, dass die Hunde feindlich bellen. Darum ist es ein großes Ding, wer es zu Herzen nimmt, dass Einer recht weide und so, wie Gott es befohlen hat.“
Conrad Porta, Pastorale Lutheri, Eisleben, 1591
Daß aber eines Lehrers/ welcher dergleichen Gefahr vor Augen sieht und kennet, Ambt und Pflicht sey / der selbigen nach dem Vermögen das GOTT gibt / zu wehren / wird hoffentlich niemand / der nicht geistlich zerrüttete Sinne hat leugnen. Lehrer sind ja zu Wächtern gesetzt nicht nur / dass sie dieser oder jener ihnen anvertrauten Seele ihre Gefahr vor die Augen stellen, sondern auch, dass sie die Gemeinde JEsu Christi / welche sie zu weiden haben / vor der Gefahr überhaupt warnen und dargegen sie zu verwahren nicht ablassen sollen / es geschehe (weltlich davon zu reden) zur Zeit oder zur Unzeit. Kann ein solcher Wächter nicht mehr thun / so soll er zum wenigsten / wenn eine Gefahr kommt / die Trompeten blasen/ und sein Volk warnen (Ezech. XXXIII, 6.). Wo hingegen die Wächter blind sind und stumme Hunde / wie die Schrift redet (Jes LVI, 10) / da sieht’s jämmerlich aus. Es heißen in Sonderheit die Lehrer des Neuen Testaments daher ἐπίσκοποί – Aufseher: Solcher Ambts-Name aber ist ihnen auch deswegen in Sonderheit gegeben / weil sie Acht haben sollen / wenn Männer aufstehen die da verkehrte Lehre reden / die Jünger an sich zu ziehen; Da sollen sie in Sonderheit wacker sein (Act. XX, 29. 30.) Sie sollen halten ob dem Wort das gewiss ist und die Wiedersprecher strafen. (Tit. I, 9).
Valentin Ernst Löscher, Timotheus Verinus, p 6 und 7
Bildquelle: By Tilman Riemenschneider – This file was donated to Wikimedia Commons as part of a project by the Metropolitan Museum of Art. See the Image and Data Resources Open Access Policy, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=60939827
Ich sehe es so: ein Bischof soll das Evangelium Jesu Christi predigen, also verkündigen, er soll Hirte sein und der Herde dienen. Da ist großer Mangel, genau das tut Not – in Sachsen und anderen deutschen Landen.
Was niemand braucht und will: das inhaltslose, salbungsvolle Gequatsche und politisieren von der Kanzel runter – niemand versteht es oder will es hören. Es treibt die Leute aus der Kirche. Wir brauchen einen Bischof, der die eigentliche Mitte – den gekreuzigten und auferstandenen Hernn Jesus – wieder klarstellt und die Kirche genau dahin einlädt. Einen leidenschaftlichen Diener Jesu Christi, der sich des Evangeliums nicht schämt, sondern es froh und klar bekennt – und lebt.
Besinnung auf die reformatorischen Wurzeln tut Not: Sola Scriptura, Sola Gratia, Sola Fide, Solus Christus. Das, und nichts anderes braucht Kirche in Sachsen.